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Der Berliner Senat hat den geplanten Mietendeckel beschlossen.

© Paul Zinken/dpa

Geplanter Mietendeckel in Berlin: Ja, nein, vielleicht – so beurteilen Fachleute die Chancen

Selten waren sich die Gutachter so uneins wie beim Mietendeckel. Ist das Gesetz rechtlich haltbar? Ein Überblick der wichtigsten Argumente.

Von Fatina Keilani

Zum geplanten Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen (Mietendeckel) in Berlin gibt es eine Reihe von Gutachten und Stellungnahmen. Wir haben die wichtigsten auf dieser Seite ausgewertet: die Stellungnahme des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier im Auftrag des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), das Gutachten von Franz C. Mayer und Markus Artz im Auftrag der Berliner SPD-Fraktion, das Gutachten von Ulrich Battis aus der Kanzlei GSK Stockmann im Auftrag der Senatskanzlei Berlin sowie das Gutachten von Andreas Fischer-Lescano, Andreas Gutmann und Christoph U. Schmidt für die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Außerdem drei Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.

Es gibt zahlreiche weitere Rechtsgutachten und Stellungnahmen zum Thema, etwa vom Bundesinnenministerium, mehreren Anwaltskanzleien wie Heussen Law und Greenberg Traurig, von Immobilienverbänden wie dem Zentralen Immobilien Ausschuss, vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein. Sie kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Demonstranten gehen mit Schildern zu einer Kundgebung eines Bündnisses der Berliner Bau- und Wohnungswirtschaft und von Vermietern gegen den Mietendeckel.
Demonstranten gehen mit Schildern zu einer Kundgebung eines Bündnisses der Berliner Bau- und Wohnungswirtschaft und von Vermietern gegen den Mietendeckel.

© Fabian Sommer/dpa

1. Ist das Land zuständig für die Gesetzgebung?

Bundestag: Länder haben keine Möglichkeit einer eigenen Regelung
Für die Länder gibt es keine Möglichkeit einer eigenen gesetzlichen Regelung zum Verbot von Mietpreiserhöhungen. Der Bund hat das Recht der Mieterhöhung im BGB abschließend geregelt. Die Kompetenz für das „Wohnungswesen“ umfasst die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum, also Maßnahmen der Wohnraumbeschaffung und der Wohnraumnutzung. Eine Preisregelung kommt allenfalls für Wohnraum mit öffentlich-rechtlicher Zweckbindung in Betracht, nicht aber für frei am Wohnungsmarkt angebotenen Wohnraum.

Hans-Jürgen Papier im Auftrag des GdW: Das Land hat keine Gesetzgebungskompetenz
Das Land hat keine Gesetzgebungskompetenz. Der Bund hat die Mietpreisbremse geschaffen. Selbst wenn er weitere Regelungen absichtsvoll unterlässt, hat er seine Kompetenz ausgeübt und die Länder können nicht mehr regeln. Die Kompetenzordnung verpflichtet alle rechtsetzenden Organe, ihre Regelungen so abzustimmen, dass die Rechtsordnung nicht widersprüchlich wird. Träte der Mietendeckel in Kraft, dann würden für ein und denselben Wohnraum gegenläufige gesetzliche Regelungen gelten.

Franz C. Mayer und Markus Artz für die SPD: Das Land hat die Gesetzgebungskompetenz
Das Land hat die Gesetzgebungskompetenz für einen Mietendeckel, Kompetenzen des Bundes stehen dem nicht entgegen, denn der Bund hat die Materie zwar geregelt, aber nicht abschließend. Auch die Mietpreisbremse im Bürgerlichen Gesetzbuch steht dem nicht entgegen. Zudem löst der Mietendeckel einen Verfassungsauftrag ein, denn die Verfassung von Berlin schreibt ein Recht auf Wohnen fest.

Ulrich Battis im Auftrag der Senatskanzlei: BGB schafft die Möglichkeiten des Landes für Regelungen nicht ab
Das soziale Mietrecht des BGB begrenzt die Möglichkeiten des Landes Berlin, mietpreisrechtliche Regelungen zu treffen, es schafft sie aber nicht ab. Battis antwortet direkt auf Papier: Der pauschale Ausschluss des Landesgesetzgebers von der Materie sei nicht haltbar. Das Land Berlin habe für das Mietmoratorium die Gesetzgebungskompetenz, auch wenn der Bund die Mietpreisbremse geschaffen und damit eine konzeptionelle Entscheidung getroffen hat, die der Landesgesetzgeber nicht einfach verfälschen kann.

Fischer-Lescano/Gutmann/Schmidt für Linke: Das Land hat die Kompetenz, um Mietendeckel zu erlassen
Das Land hat die Kompetenz, den Mietendeckel zu erlassen, und zwar sowohl das Mietpreismoratorium als auch die Obergrenze betreffend, und sogar die Mietsenkung ist von der Gesetzgebungskompetenz gedeckt. Wenn sich Regelungen widersprechen, gilt der Vorrang des Landesrechts, da das „Wohnungswesen“ als „selbständige Sondermaterie“ die speziellere Regelung sei. Allerdings widersprächen sich die Regelungen hier nicht, sondern ergänzten sich und könnten parallel angewandt werden.

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichtes.
Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichtes.

© Boris Roessler/dpa

2. Ist der Mietendeckel ein Eingriff ins Eigentumsrecht?

Bundestag: Grenze ist überschritten, wenn Mietpreisbindung auf Dauer zu Verlusten führt
Je mehr ein Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug steht und eine soziale Funktion erfüllt, desto weiter reicht die Befugnis des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentumsrechts zu bestimmen. Die Grenze ist allerdings erreicht, wenn die Substanz des Eigentums betroffen ist. Niemand hat Anspruch auf höchste Renditen, aber Verluste muss auch niemand hinnehmen. Die Grenze sei laut Bundesverfassungsgericht überschritten, wenn Mietpreisbindungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter führen würden.

Papier für GdW: Keine Enteignung
Das Eigentumsgrundrecht aus Artikel 14 ist schon dann betroffen, wenn ein unzuständiger Gesetzgeber ein eigentumsbeschränkendes Gesetz erlässt – wie es beim Mietendeckel der Fall ist. Es ist zwar keine Enteignung, denn eine solche liegt nur vor, wenn es sich um einen Vorgang staatlicher Güterbeschaffung handelt – etwa bei der Enteignung eines Grundstücks zum Zweck des Straßenbaus. Im Fall des Mietendeckels handelt es sich um eine Inhalts-und Schrankenbestimmung des Eigentums.

Meyer/Artz für SPD
Meyer und Artz beschäftigen sich nicht mit dem Eigentumsgrundrecht, sondern nur mit der Kompetenzfrage.

Battis für den Senat: Mieterhöhungsstopp verfassungsgemäß, wenn Gesetzgeber Erforderlichkeit besser begründet
Die Regelungen zu Mietobergrenzen und zur Mietherabsetzung sind verfassungswidrig. Bei der Frage des Mietenmoratoriums stellt sich die Frage der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit. Wenn der Gesetzgeber die Geeignetheit und die Erforderlichkeit besser begründet, ist der auf fünf Jahre begrenzte Mieterhöhungsstopp verfassungsgemäß. Am Punkt Angemessenheit würde es nicht scheitern, da die Begrenzung auf fünf Jahre auch die Belastung für Eigentümer entsprechend begrenzt.

Fischer-Lescano/Gutmann/Schmidt für Linke
Die drei Autoren befassen sich eingehend mit Landeskompetenzen, nicht aber mit dem Eigentumsgrundrecht.

Plakate der Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin.
Plakate der Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin.

© Reinhart Bünger

3. Darf die Miete gesenkt werden? (Eingriff in die Vertragsfreiheit)

Bundestag: Gesetzliche Mietpreisbindung für das Land nicht möglich
Mietpreisbindungen gab es nach dem Krieg, erst in den Sechzigern wurden sie teilweise abgeschafft, in Berlin wurde die Preisbindung für Altbauten erst 1987aufgehoben. Eine gesetzliche Mietpreisbindung für frei am Markt angebotene Wohnungen ist für das Land nicht möglich, da der Bund das Mietpreisrecht im bürgerlichen Recht abschließend geregelt hat.

Papier für GdW: Landesgesetzliche Regelung kann nicht rechtmäßig sein
Im Prinzip kann das öffentliche Recht durchaus Einschränkungen privatautonomen Handelns vorsehen; das gilt aber nur für kompetenzgemäßes öffentliches Recht. Das Land hat hier aber keine Kompetenz, deswegen kann eine landesgesetzliche Regelung, die offenkundige Widersprüche zum Bundesrecht erzeugt, nicht rechtmäßig sein.

Meyer/Artz für SPD: Mietsenkungen gehen zu weit
Mietsenkungen gehen zu weit. Die gesetzlich gewährte Vertragsfreiheit versagt auf angespannten Wohnungsmärkten, da eine Seite wirtschaftlich stärker ist als die andere. Es sind öffentlich-rechtliche Eingriffe denkbar, zusätzlich zum Bürgerlichen Recht – zum Beispiel eine strengere Regelung hinsichtlich Mieterhöhungen.

Battis für den Senat: Obergrenzen und Mietherabsetzung verfassungswidrig
Mit dem Eingriff in die Vertragsfreiheit als solchem befasst sich Battis nicht, er stellt aber fest: Seit mehr als 100 Jahren und unter wechselnden Verfassungen schränken öffentlich-rechtliche Gesetze das an der Vertragsfreiheit des BGB ausgerichtete Mietrecht ein. Im konkreten Fall sind die Obergrenzen und die Mietherabsetzung verfassungswidrig, denn sie laufen dem bürgerlichen Recht zuwider und wären – insoweit stimmt Battis Papier zu – kein kompetenzgemäß erlassenes Recht.

Fischer-Lescano/Gutmann/Schmidt für Linke: Rechtlich in Ordnung
Die bundesrechtliche Mietpreisbremse ist dem sozialen Mietvertragsrecht zuzuordnen, sie stellt einen „Tropfen sozialistischen Öles“ im Gefüge des BGB dar, in dem grundsätzlich Vertragsfreiheit herrscht. Das Gesetz zum Mietendeckel befasst sich hingegen nicht mit dem Vertrag, sondern mit dem Wohnraum selbst, für den öffentlich-rechtliche Pflichten geschaffen werden. Die Vertragsfreiheit wird also eingeschränkt, das hat man historisch aber schon immer so gemacht und es ist rechtlich in Ordnung.

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4. Was ist mit der Verhältnismäßigkeit?

Bundestag: Legitimer gesetzgeberischer Zweck
Mietpreisbindungen dienen dem Ziel, eine Überhöhung der Mieten zu verhindern und dadurch für alle Bevölkerungsschichten bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. Das ist ein legitimer gesetzgeberischer Zweck. Grundsätzlich kann dafür in Maßen in das Eigentumsgrundrecht eingegriffen werden; Eingriffe müssen geeignet zur Erfüllung des Zwecks, erforderlich und angemessen sein. Im vorliegenden Falle ist eine Regelung aber wegen gesetzgeberischer Unzuständigkeit des Landes nicht möglich.

Papier für GdW: Eingriff ist unverhältnismäßig
Das Ziel, das der Berliner Gesetzgeber verfolgt, ist verfassungsrechtlich legitim, der Eingriff ist aber unverhältnismäßig. Erstens ist zweifelhaft, ob wirklich drängender Handlungsbedarf besteht, da die Mieten in Berlin sich nur bei Neuvermietung erheblich verteuert haben, nicht aber beim Mietspiegel, und auch die Löhne gestiegen sind. Zweitens ist speziell die Mietsenkung ein Eingriff, der in seiner Schwere einer Teil-Enteignung ähnelt. Überragende Gründe des Allgemeinwohls, die das rechtfertigen, sind nicht zu sehen.

Meyer/Artz für SPD: Eingriff in geltende Verträge geht zu weit - Mietsenkungen unverhältnismäßig
Dass Vermieter die Miete erhöhen dürfen, ist der Ausgleich dafür, dass sie Mietverträge nicht einfach kündigen können. Deshalb greift eine solche Regelung wie der Mietendeckel stark in die Rechtsposition des Vermieters ein. Das kann in einer Situation, in der das Recht auf Wohnen elementar gefährdet ist, aber trotzdem verhältnismäßig sein, wenn es zeitlich befristet ist. Der Eingriff in geltende Verträge geht jedoch zu weit – die geplanten Mietsenkungen sind daher unverhältnismäßig.

Battis für den Senat: Fünfjahresfrist zum Wohnungsbau nutzen
Berlin muss die Fünfjahresfrist des Mietendeckels zum Wohnungsbau nutzen; ein weiteres Mal käme das Land nicht mit der Aussage durch, fünf Jahre Mietenmoratorium als Teil eines stimmigen Konzepts zur Sicherung und Schaffung von Wohnraum auszugeben.

Fischer-Lescano/Gutmann/Schmidt für Linke: Bundes- und landesrechtliche Regelungen wirken zugunsten der Mietenden

Mit der Verhältnismäßigkeit befasst sich das Gutachten nicht; die Fragen werden strikt unter dem Aspekt der Landeskompetenz abgehandelt. Zitat: „Selbst wenn die Schwere des Grundrechtseingriffs durch Mietenabsenkung erheblicher sein sollte als bei einer Mietenobergrenze, vermag dies in Bezug auf die Kompetenzfrage keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen.“ Ein Widerspruch zwischen bundes- und landesrechtlicher Regelung wird nicht gesehen – beide wirkten zusammen zugunsten der Mietenden.

Gesamturteil:

  • Bundestag: Der Mietendeckel ist unmöglich
  • Hans-Jürgen Papier für GdW: Der Mietendeckel ist unmöglich
  • Franz C. Mayer und Markus Artz für die SPD: Der Mietendeckel ist teilweise möglich
  • Ulrich Battis für die Senatskanzlei: Der Mietendecke ist teilweise möglich
  • Fischer-Lescano/Gutmann/Schmidt für Linke: Der Mietendeckel ist uneingeschränkt möglich

Der Berliner Senat hat den Gesetzentwurf zum Mietendeckel im Oktober beschlossen. Das Abgeordnetenhaus von Berlin muss das Gesetz jedoch noch beschließen.

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