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Berlin: Gib mir fünf

Kleiner Junge hatte zwei Finger und einen Zeh zu viel – und wurde nun operiert

Der elf Monate alte Yassir ist etwas ganz Besonderes – und das wird man nicht nur hören, wenn man seine Mutter fragt. Denn der Sohn einer deutsch-libanesischen Familie aus Neukölln leidet unter einer seltenen Erbkrankheit: Er hat an beiden Händen jeweils sechs Finger und auch am linken Fuß einen Zeh zu viel. Medizinisch heißt das „Polydaktylie“. Auf 2000 Säuglinge kommt ein Neugeborenes mit einer solchen Fehlentwicklung an einer Hand, von 6000 Neugeborenen hat ein Säugling zu viele Finger an beiden Händen. „Eine gleichzeitige Fehlbildung an beiden Händen und einem Fuß aber ist sehr selten“, sagt Andreas Kolberg-Schwerdt, Leitender Oberarzt in der Kinderchirurgie des Helios Klinikums Berlin-Buch. Seit mindestens fünf Jahren habe er so etwas nicht gesehen.

In dem Bucher Klinikum gibt es eine Spezialsprechstunde für Patienten mit derartigen Missbildungen. Vor einer Woche hat Kolberg-Schwerdt hier den überzähligen Zeh am linken Fuß von Yassir entfernt. „Das war das Wichtigste, denn der Junge muss Schuhe anziehen können, um normal laufen zu lernen“, sagt der Mediziner. Während des einstündigen Eingriffs unter Vollnarkose wurde der am wenigsten entwickelte Zeh plus Knochen abgenommen. Der Eingriff verlief ohne Komplikationen, Yassir und seine Mutter, die 21-jährige Fatma El-Hammud, konnten das Krankenhaus nach drei Tagen verlassen. Zu Hause ist Yassir kaum zu bändigen. „Er will krabbeln und laufen“, sagt Fatma El-Hammud. Und wenn die kleine Wunde am linken Fuß verheilt ist, wird Yassir seine ersten Schühchen anziehen können, die seine Eltern schon gekauft haben. „Einen Schuh hat Yassir noch nie getragen“, sagt die Mutter.

Die Amputation der Finger folgt wahrscheinlich im Sommer – nacheinander. „Technisch wäre es zwar kein Problem, beide Finger gleichzeitig zu entfernen“, sagt der Chirurg Kolberg-Schwerdt. „Aber ich habe den Eltern geraten, das mit ein paar Wochen Abstand machen zu lassen, damit der Junge wenigstens jeweils eine Hand benutzen kann.“

Aber warum müssen die überzähligen Finger denn überhaupt weg? „Sie sind nicht funktionsfähig“, sagt der Arzt. Und nicht nur das. Auf dem Röntgenbild von Yassirs Händen sind deutlich die zusätzlichen Gelenke an den Handknochen erkennbar, aus denen die sechsten Finger wachsen. Würde man sie nicht entfernen, dann wächst die Knochendeformation weiter und würde auch die Funktion des benachbarten fünften Fingers beeinträchtigen. Der Eingriff sei chirurgisch kein Problem, sagt Kolberg-Schwerdt. Die Wunde verheilt schnell, die Narben werden kaum erkennbar sein.

Denn der Junge hatte Glück. Solche kombinierten Fehlentwicklungen an Händen und Füßen sind oft verbunden mit weiteren schweren Missbildungen, etwa der Schädelknochen, des Gehirns oder innerer Organe wie den Nieren. Doch Yassir ist ansonsten kerngesund. Wie gesagt, ein besonderes Kind.

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