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Auf Draht: Samer Safwan (l.) und Stefan Amarasinghe machen eine Berufsausbildung im öffentlichen Dienst Berlins.

© dpa

Rassismus in Berliner Verwaltung: Gläserne Decke für Menschen mit Migrationshintergrund

Für Menschen mit Migrationshintergrund gibt es im öffentlichen Dienst Berlins eine gläserne Decke. Es werden viele beschäftigt, der Aufstieg bleibt jedoch aus.

Auf den ersten Blick ist die Meldung ein Erfolg: 28,1 Prozent aller 2018 eingestellten Auszubildenden in der öffentlichen Verwaltung und in landeseigenen Unternehmen der Hauptstadt verfügen über einen Migrationshintergrund. Im Jahr 2010, als dieser Wert für Behörden und Betriebe erstmals erfasst worden war, lag der Anteil bei rund 15 Prozent.

Weil aber auch die jüngste Zahl nicht dem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtgesellschaft entspricht, dieser liegt bei 34 Prozent, hieß es vonseiten der Berliner Integrationsbeauftragten Katarina Niewiedzial: „Gleichzeitig verdeutlichen die Zahlen auch, dass noch Luft nach oben ist. Die Verwaltung sollte junge Menschen mit Migrations- bzw. Einwanderungsgeschichte noch aktiver ansprechen.“

Was Niewiedzial und andere besonders ärgert: Seit Jahren kämpfen Fachleute dafür, Zahlen zum Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an den 120 000 Verwaltungsmitarbeitern Berliner Behörden zu erhalten. Erfolglos.

„Wir brauchen diese Zahlen dringend, vor allem weil uns jeder Einblick in die Struktur der Führungsebenen fehlt“, erklärt Niewiedzial und nährt damit einen Verdacht, den unmittelbar im Anschluss an die Veröffentlichung vom Donnerstag auch Fatos Topaç, Sprecherin für Sozial- und Pflegepolitik der Grünen-Fraktion, geäußert hatte. Auf Twitter kommentierte sie die Angaben zu neu eingestellten Azubis mit den Worten: „Erfreulich, jedoch ist das nur der Einstieg, mir fehlen Aufstiegsperspektiven. Vielfalt auf allen Ebenen, dann sind wir vorbildlich!“

Fehlende Statistiken erschweren die Gleichstellung

Tatsächlich gibt es bei der Durchlässigkeit der Ebenen für Menschen mit Migrationshintergrund Nachholbedarf. Eine Umfrage der Nichtregierungsorganisation Citizens for Europe zur Diversität unter Führungskräften in Behörden bezifferte den Anteil von Personen mit Migrationshintergrund auf knapp elf Prozent. Repräsentative Befragungen fehlen ganz.

Was bleibt, ist die Erkenntnis: Menschen mit Migrationshintergrund sind in den Führungsebenen der Berliner Verwaltung, gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtgesellschaft, deutlich unterrepräsentiert. Das gilt im Übrigen auch für ihren Anteil an Verwaltungsmitarbeitern insgesamt. Weil auch hier Statistiken fehlen, bemühen selbst Fachleute Hochrechnungen auf Basis des Mikrozensus aus dem Jahr 2011. Ergebnis: Der Anteil in der öffentlichen Verwaltung beträgt kaum mehr als zehn Prozent.

Die Berliner Integrationsbeauftragte, Katarina Niewiedzial.

© dpa

Wirklich überrascht zeigen sich davon weder Niewiedzial noch Topaç. „Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund wird sichtbar kleiner, je höher die Hierarchie-Ebene“, sagt die Integrationsbeauftragte. Sie fordert „proaktive Schritte“ der Verwaltung, um daran etwas zu ändern und plädiert dafür, endlich Daten zu erheben, damit Behörden bei der Schaffung durchlässiger Strukturen unterstützt werden können.

„Wir arbeiten seit zehn Jahren an diesem Thema und wollen erreichen, dass endlich eine verbindliche Abfrage bei Einstellungen im öffentlichen Dienst eingeführt wird“, sagt Niewiedzial. Aktuell bereitet sie eine Novelle des 2010 beschlossenen Partizipations- und Integrationsgesetzes vor. Diese soll spätestens 2021 beschlossen werden und die Lücke dann schließen.

Viele erleben Rassismus am Arbeitsplatz

Noch deutlicher in der Kritik wird Fatos Topaç, die erklärt: „Dass es diese Zahlen nicht gibt, ist Teil des Problems.“ Die gelernte Sozialarbeiterin beschäftigt sich seit 1993 mit dem Thema Integration und erkennt zumindest auf der Leitungsebene von Politik und Verwaltung eine Mehrheit von Menschen, „die dem Anschein nach mehr und anderes und besseres wollen“. Hinter dieser ersten Reihe wiederum würden diejenigen Entscheidungen treffen, die „kulturell ganz anders sozialisiert worden sind“.

Auch mit Blick auf die Unternehmen sagt sie: „Postuliertes und tatsächlich erzielte Ergebnisse passen nicht zusammen.“ Im Gespräch mit migrantischen Verwaltungsangestellten würden diese immer wieder von rassistischer Diskriminierung durch Kollegen und Vorgesetzte berichten. Da fielen dann schon mal Sätze wie: „Du fährst in die Türkei in den Urlaub? Hoffen wir mal, dass Du dort nicht verheiratet wirst.“ Ihrer Beobachtung nach werden Menschen mit Migrationshintergrund als „Bodenpersonal“ oder „Lückenbüßer“ eingestellt. Der Aufstieg in den Hierarchien gelinge den wenigsten – auch, weil die Vorbilder fehlten.

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