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Potsdamer Platz: Glaspalast im Angebot

Sony will sich von seinem Areal am Potsdamer Platz trennen. Dem neuesten Stand nach soll das Unternehmen Gebote von möglichen Käufern angefordert haben - Sony erwartet eine Dreiviertelmilliarde Euro. Am regen Treiben unterm Dach wird ein Verkauf wenig ändern.

Ein eisiger Wind pfeift durch die schiefen Schluchten des Sony-Geländes am Potsdamer Platz, treibt die Passanten in den Schutz der Kneipen und Geschäfte. Dennoch stehen viele draußen und blicken, den Kopf im Nacken, nach oben, wo sich vor dem Himmel das berühmte Dach aufspannt: Eine Drei-Sterne-Sehenswürdigkeit, die in den internationalen Reiseführern längst den gleichen Rang einnimmt wie die Philharmonie oder das Schloss Charlottenburg, ein markanter, weithin sichtbarer Teil der neuen Berliner Skyline.

Ist so etwas zu verkaufen? Die Gerüchte, Sony wolle sich von dem gesamten Gebäudekomplex trennen, haben durch Veröffentlichungen in den letzten Tagen neue Nahrung erhalten. Letzter, von Sony unbestätigter Stand: Nach einem kurzfristigen Rückzieher wegen der US-Immobilienkrise soll das Unternehmen potenzielle Bieter aufgefordert haben, neue Angebote abzugeben, Gerüchten zufolge geht es um eine runde Dreiviertelmilliarde.

Das klingt nicht unplausibel, eher bescheiden angesichts der Tatsache, dass Daimler seinen Gebäudekomplex auf der anderen Seite der Potsdamer Straße im vergangenen Dezember für rund 1,4 Milliarden Euro an die schwedische Großbank SEB verkauft hat. Die Autos aus dem Erdgeschoss sind bereits verschwunden; gegenwärtig verdeckt das temporäre Treiben der Berlinale die Leere im großzügigen Foyer.

Von den Filmfestspielen profitiert gegenwärtig aber auch das Sony-Center. Oben rund um Kino und Filmhaus sowieso – aber auch drunten, eine Etage unter dem Straßenniveau, wo sonst nur ein paar versprengte Passanten herumirren, ist lebhafter Betrieb. Doch die Hochsaison dauert hier nur unten so lange wie die Berlinale, dann breitet sich wieder jener Dornröschenschlaf aus, der der Normalfall ist, seit sich Sony von den ersten ehrgeizigen Projekten getrennt hat.

Wer wollte, der konnte damals nach der Eröffnung virtuell die Berliner Philharmoniker dirigieren – heute wird der eher wie ein Keller wirkende Bereich als Präsentationszone für junge Künstler notdürftig bespielt. Und auch die Geschäftsinhaber in den zur „Passerelle“ aufgehübschten Gängen drumherum haben sich von der so lange hinausgezögerten Eröffnung des Regionalbahnhofs wohl mehr versprochen.

Das alles mag den Kaufpreis nicht unbedingt hochtreiben. Doch oben, dort, wo die Menschen strömen, ist nahezu immer was los. Der Anschein, statistisch kaum zu erhärten: Die Berliner Besucher bevorzugen eher das Daimler-Areal mit den Shopping-Arkaden und der Piazza vor dem Musical-Theater, wo die roten Teppiche fast schon ein Dauerzustand zu sein scheinen. Auch die Winterwelt mit Weihnachtsmarkt und Rodelbahn ist hier fest etabliert.

Die Sony-Seite dagegen ist die Domäne der Touristen und Büroangestellten, denn es gibt kaum etwas zu kaufen. Hier liegen die typischen anspruchslosen Touristen-Restaurants, hier klicken die Digitalkameras vor dem seltsam entrückten, nur wenig genutzten historischen Esplanade-Saal, hier liegt auch der Schauraum des Weltunternehmens, der in seinem schlichten Zuschnitt eher wie ein kleiner Elektronikmarkt wirkt – bescheiden vor allem angesichts der Tatsache, dass dies hier die wichtigste Sony-Repräsentanz in Europa ist. Müsste hier nicht irgendetwas Augenfälliges funkeln, um den Vorsprung der Marke vor dem Rest der Welt zu veranschaulichen? Auch der Rummel um die Lego-Schau ein paar Schritte weiter hat sich offenbar allmählich gelegt.

Was auch immer mit der Immobilie passiert: Am Status des Areals wird sich dadurch kaum etwas andern. Es wird zumindest oben besser angenommen, als selbst Optimisten erwartet hatten, es gibt praktisch keinen sichtbaren Leerstand, und auch das allmähliche Erwachen des lange verödeten Leipziger Platzes dürfte die Situation weiter verbessern. 100 000 Menschen kommen gegenwärtig jeden Tag vorbei, und vor allem in warmen Nächten ist hier längst mehr öffentlich sichtbares Leben als in den meisten anderen Zentren der City.

Man wird also annehmen dürfen, dass das Sony-Center auch nach einem eventuellen Verkauf das Sony-Center bleibt und nicht in „Morgan-Stanley-Arkaden“ oder „Dubai-Lounge“ umbenannt wird. Die riesigen Leuchtbuchstaben hoch über der Straße, die den gut eingebürgerten Namen verkünden, wirken jedenfalls, als wären sie dort für die Ewigkeit aufgehängt worden.

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