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Bernd Matthies, Mann mit Humor. Tagesspiegel-Redakteur seit 30 Jahren.

© Doris Spiekermann-Klaas

30 Jahre Tagesspiegel: Glückwunsch, Bernd!

Seit den 80ern arbeitet er für den Tagesspiegel - naja, dann kann er diesen Text hier doch auch noch schreiben: Bernd Matthies gratuliert sich einfach selbst zum Dienstjubiläum.

Es ist bestimmt schon ein paar Jahre her, dass ich wieder einmal gefragt wurde, ob ich denn der Sohn von Günter Matthes sei. Das besagt zweierlei. Erstens: Langsam scheint die Erinnerung an meinen langjährigen Chef doch zu verblassen, und zweitens: Ich bin selbst schon ungeheuer lange dabei. Ach, und drittens, für alle Fälle: Der Sohn bin ich nicht, wie schon das i vor dem e zeigt.

Ungeheuer lange heißt in diesem Fall: exakt 30 Jahre. Und da ich fast immer mache, was mir aus der Redaktion so angetragen wird, schreibe ich mir meinen Jubiläumstext eben selbst. Im Grunde kommt das ohnehin zu spät, denn mein erster Kontakt mit der Redaktion geht sogar schon auf das Jahr 1982 zurück. Ich kam, die Erfahrungen in einer kleinen Lüneburger Landeszeitung im Gepäck, ziemlich spät, um elf. Und traf praktisch keinen Menschen.

Damals arbeitete die Lokalredaktion so etwa ab 13 Uhr, bei den Nachrichten kamen sie noch später, gegen drei, um ihre Telexmeldungen zu sortieren. Der Zufall wollte es, dass der Tagesspiegel damals anders als viele modernere Zeitungen noch im Bleisatz produziert wurde, eine skurrile Arbeitsweise, deren Auswirkungen mir alsbald klar wurden, als mein erster längerer Text, eine schulmäßig durchkomponierte Reportage aus dem Jachtbesitzermilieu, hinten abgekürzt wurde wie der Badegast vom Hai. Der hochgeschätzte Kollege, der den Umbruch beaufsichtigte, hatte zu wenig Platz und ließ den letzten Absatz wegwerfen, das machte man damals so. Hinten hatte deshalb immer das Unwichtigste zu stehen.

Heute gibt es für solche Fälle ein vorab feststehendes Layout, und die allfälligen Verstümmelungen nimmt der Autor selbst vor, was den meisten Texten übrigens gut bekommt. Oder alles geht gleich online, was eher die Geschwätzigkeit befördert, denn das Internet kennt kein Ende, jedenfalls soweit man das bisher weiß. Die User-Kommentare hießen damals Leserbriefe und sind mir als sehr viel nachsichtiger in Erinnerung geblieben, vermutlich eine altersbedingte Blicktrübung. Ich frag mal die Kollegen von damals, vier oder fünf sind noch da...

Ich will nicht verschweigen, dass ich im November 1983 den Job mit der Absicht antrat, mal zwei Jahre zu machen und dann weiterzusehen, zum Beispiel berühmt zu werden in Hamburg, von dort durch kalte Recherche den US-Präsidenten zu stürzen, so in der Richtung. Dieser Plan durchkreuzte sich irgendwie von selbst, und dann kam ja plötzlich eine komplette Stadthälfte dazu, man fing im Grunde auf demselben Arbeitsplatz noch einmal von vorn an, das war im Sinne meiner Karriereüberlegungen soweit okay. Gut, ich bin West-Berliner, einer von jenen, die das schon aus politischer Prinzipienreiterei nie „Westberliner“ schreiben würden. Ich kann in den West-Grenzen von 1989 noch jederzeit den Taxischein machen; in Hellersdorf oder Biesdorf dagegen rettet mir das Navigationssystem oft das Leben. Aber wenn sich ein alter Westler noch heute damit brüstet, vorsätzlich nie über den Gendarmenmarkt nach Osten vorgedrungen zu sein, dann finde ich das: ganz schön doof.

Das ist nun ein halbes Leben, und 30 Jahre sind ein Brocken, aber nicht das Ende. Günter Matthes, nun ja, 38 Jahre, das bei mir wird nicht ganz reichen, deshalb spare ich ein bisschen Zeit und klaue ihm den Schlusssatz: „Also, was mich betrifft, ich bin nicht zufällig Berliner.“

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