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Die Sophiengemeinde in Mitte.

© Doris Spiekermann-Klaas

Gottesdienst in Mitte: Die Sophien-Gemeinde beging den Volkstrauertag

Am Volkstrauertag gedachte auch die Evangelische Kirchengemeinde Sophien der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Der Gottesdienst wurde sogar im Radio übertragen

Kleine Lichter brannten am Sonntag auf den Gräbern der Kriegstoten rund um die Sophienkirche. Die Kinder aus dem Kindergottesdienst hatten sie aufgestellt – zur Erinnerung an die Menschen, die im heutigen Touristenviertel an der Oranienburger Straße in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs starben. Am Volkstrauertag gedachte auch die Evangelische Kirchengemeinde Sophien der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.
Doch im Gottesdienst, der auch vom rbb-Radio übertragen wurde, suchte Pfarrerin Christina-Maria Bammel einen neuen Zugang zu dem Feiertag: Denn die Generation der Menschen, die den Krieg noch miterlebten, stirbt allmählich aus. Bammel wandte sich deswegen deren Kindern und Enkeln zu. Und in kleinen Erzählungen erinnerten Gemeindeglieder daran, wie die Kinder und Enkel ihre im Krieg gebliebenen Väter und Großväter nie trafen. „Da war nur dieser stille, verweinte Erinnerungstag“, sagte Bammel in ihrer Predigt. In den Familien wurde kaum über den Krieg gesprochen. „Es war ja auch schwer, angemessen um einen Soldaten der Wehrmacht zu trauern.“ Doch ein Krieg breite sein Gift nicht nur über die direkt Betroffenen aus. „Die traumatischen Erfahrungen werden an die nächste Generation weitergegeben, wenn sie nicht besprochen werden“, sagt Bammel. Auch der Bibeltext des Volkstrauertags, Verse aus dem Buch des Propheten Ezechiel, beschäftigte sich mit einem traumatisierten Volk, das den Krieg erlebt. Dort heißt es: „Ich werde ihnen ein neues Herz und einen neuen Geist geben. Ich nehme ihnen das versteinerte Herz aus ihrer Brust und schenken ihnen ein Herz, das lebt.“ Für die Pfarrerin ist das ein Aufruf, über die Vergangenheit im Gespräch zu bleiben. „Der Ungeist der Verdrängung kann zu einem Geist der Erinnerung verwandelt werden. Und sich zu erinnern, heißt, nach vorne leben zu können.“

Daher übergab die Pfarrerin nach dem Gottesdienst zwei kleine Gedenksteine an ein Gemeindemitglied. Sie stammen von der Neuköllner Gedenkstätte für Zwangsarbeiter, die auf kirchlichen Friedhöfen beschäftigt waren. Übers Jahr werden sie in den Gemeinden aufbewahrt, doch zum Volkstrauertag zur Gedenkstätte zurückgebracht – damit der „Ungeist der Verdrängung“ wenigstens in den Berliner Kirchengemeinden keine Chance hat.

Die Gemeinde im Internet: www.sophien.de

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