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Berlin: Große Krankenversicherungen wollen nicht noch mehr Sozialhilfeempfänger, weil sie zu teuer sind Barmer: Risiken gerecht auf alle Kassen verteilen. Gesundheitsministerium warnt vor „Rechtsbruch“

Krankenkassen fürchten einen Ansturm von Sozialhilfeempfängern, bei dem sie draufzahlen müssten. Die Barmer-Ersatzkasse soll sogar ihre Mitarbeiter angewiesen haben, Sozialhilfeempfänger fern zu halten.

Krankenkassen fürchten einen Ansturm von Sozialhilfeempfängern, bei dem sie draufzahlen müssten. Die Barmer-Ersatzkasse soll sogar ihre Mitarbeiter angewiesen haben, Sozialhilfeempfänger fern zu halten. Hintergrund: Ab Januar müssen sich alle bisher nicht krankenversicherten Sozialhilfeempfänger für eine Kasse entscheiden, die sie betreut. Sie erhalten eine Chipkarte und werden wie normal Versicherte behandelt, sind aber keine „richtigen“ Mitglieder. Das heißt, das Sozialamt muss keinen Kassenbeitrag entrichten. Damit sollen Sozialhilfeempfänger nicht mehr besser gestellt sein, als gesetzlich Krankenversicherte. Denn bisher rechnete das Sozialamt die Behandlungskosten der Hilfeempfänger direkt mit dem Arzt ab, ohne solche Restriktionen, die für Kassenpatienten gelten, wie zum Beispiel Budgetgrenzen. Deshalb waren sie bei Medizinern gern gesehene Patienten.

Nach Angaben der Berliner Senatsgesundheitsverwaltung sind etwa zwanzig Prozent der rund 260000 Berliner Sozialhilfeempfänger derzeit nicht krankenversichert. Für deren Krankenhilfe werden pro Jahr etwa 190 Millionen Euro aufgewendet, rechnen die Krankenkassen vor.

Durch die Gesetzesänderung sehen die großen Kassen nun einen Ansturm von Sozialhilfeempfängern auf sich zukommen, der allein in Berlin zusätzliche Kosten in Millionenhöhe verursache. Denn die Sozialämter erstatten den Kassen zwar das Geld für die Versorgung der Hilfeempfänger, aber erst Monate später. Die Kassen müssen also die Behandlungskosten vorschießen. Außerdem rechnen die Kassen mit höheren Verwaltungskosten, weil Sozialhilfeempfänger häufiger zum Arzt oder ins Krankenhaus gingen als der Durchschnittsversicherte.

Die Erfahrungen zeigten, dass sich Hilfeempfänger oft für die großen Kassen entschieden, heißt es bei der Barmer. Deshalb müsse man mit den Sozialämtern sprechen, dass diese auch die anderen Kassen mit dieser Klientel belasteten. Abweisen werde man aber niemanden, sagte Barmer-Sprecherin Susanne Uhrig dem Tagesspiegel. Man wolle lediglich eine stärkere Verteilungsgerechtigkeit der „Risiken“ auf alle Kassen.

Doch die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ zitierte am Mittwoch aus einer internen Anweisung der Barmer-Zentrale in Wuppertal an die Regionalchefs der Kasse, „den Bestand der Sozialhilfeempfänger/Asylbewerber so gering wie möglich zu halten.“ Diese Interessenten sollten im Beratungsgespräch „unauffällig überzeugt“ werden, „die Barmer nicht als neue Kasse zu wählen“.

Bei manchen großen Kassen gebe es tatsächlich eine „Abwehrhaltung“ gegen den Zulauf von Sozialhilfeempfängern, bestätigt ein Krankenkasseninsider dem Tagesspiegel. Rechtlich haben die gesetzlichen Krankenkassen aber keine Möglichkeit, jemanden abzulehnen. Alles andere wäre „ein klarer Rechtsbruch“, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums.

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