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Das Filmfestival in Bad Saarow erreicht jährlich tausende Cineasten.

© promo

Festival "Filme ohne Grenzen": Großes Kino am Scharmützelsee

Zum siebten Mal findet in Bad Saarow das internationale Festival „Film ohne Grenzen“ statt. Dort können Besucher Filmprominenz ganz nahe kommen.

Nur rund 70 Leute saßen 2013 beim ersten „Film ohne Grenzen“-Festival in Bad Saarow im Publikum, erzählt Susanne Suermondt: „Wir haben mehr oder weniger Bekannte und Verwandte bis hin zum Patenonkel samt Hund gezwungen vorbeizukommen.“ Heute müssen sie niemanden mehr zwingen, nach Brandenburg rauszufahren. Im Vorjahr waren über 2000 Gäste da.

Zum siebten Mal veranstaltet die 49-Jährige zusammen mit Tanya Berndsen und Yvonne Borrmann, die fürs Jugendprogramm zuständig ist, ihr internationales Filmfestival im Landkreis Oder-Spree. Vom 29. August bis 1. September treffen sich Medienschaffende und Schauspieler wieder in der Kulturscheune auf dem idyllischen Eibenhof am Scharmützelsee. Selten kommen Filmfans ihnen so nahe wie hier, anders als in Cannes oder auf der Berlinale. Das sei genau das, was das Festival ausmache, meint Suermondt: „Es ist die familiäre Atmosphäre. Bei uns sitzen Filmemacher wie Wolfgang Kohlhaase oder Schauspieler wie Ulrich Matthes und Henry Hübchen mit Gästen zusammen und trinken Kaffee."

Die Idee für das Festival auf dem Land, bei dem sich die Filmstoffe als grobes Oberthema mit dem Thema Menschlichkeit auseinandersetzen, hatte sie von einer Freundin übernommen. Die hatte 2008 eine ähnliche Veranstaltung in Italien ins Leben gerufen. Das „Senza Frontera Festival“ gibt es mittlerweile nicht mehr, „Film ohne Grenzen“ hingegen schon. Suermondt sagt von sich, als Emsländerin sei sie „landaffin“ und Bad Saarow ja ohnehin ein Ort des Kinos. „Die erste Titanic wurde hier in einem Stummfilm versenkt." Die 5000-Einwohner-Gemeinde sei nicht zu weit weg von Berlin und es sei schön, etwas für die Region zu machen.

Doch wie lotst man Filmleute nach Brandenburg, die sonst auf den roten Teppichen der Filmwelt zu Hause sind? „Wir haben ein großes Netzwerk“, erklärt Suermondt, die wie Tanya Berndsen lange fürs Fernsehen gearbeitet hat, unter anderem bei Sat1. „Natürlich mussten wir am Anfang viel herumtelefonieren. Inzwischen sagen Regisseure und Schauspieler, das ist ein gutes Festival, da kann man seinen Film zeigen, prima abhängen, aber auch Inhalte transportieren.“

Viel Mauer, viel Schönes

„Film ohne Grenzen“ ist mehr als ein Festival. Es gibt Ausstellungen, Diskussionen und Gesprächsrunden. Die beiden Filmproduzenten Andrea Thilo und Gero von Boehm laden Sonntag zum traditionellen Talk ein, in diesem Jahr zum Festivalthema „Wir“. Mit dem Festival wolle man auch Statements setzen, erklärt Suermondt und erinnert an die Landtagswahlen in Brandenburg am 1. September. Da passt „Die Unerhörten“, der am 30. August gezeigt wird, gut ins Programm. Regisseur Jean Boué, der auch in Bad Saarow dabei sein wird, hat fünf Kandidaten der West-Prignitz im Wahlkampf begleitet.

Eröffnet wird das Filmfest tags zuvor mit zwei Folgen aus der ersten Staffel der ZDF-Bauhaus-Serie „Die neue Zeit“, noch vor der TV-Ausstrahlung und mit Hauptdarstellerin Anna Maria Mühe als Gast auf dem Eibenhof. Außer ihr kommen die Schauspielerinnen Inka Friedrich und Anna Schudt, Schauspieler Ronald Zehrfeld, Regisseurin Kim Hopkins, Produzent Alexander Martens und andere zum „Film ohne Grenzen"-Festival. Auch Regisseurin und Drehbuchautorin Margarethe von Trotta reist an, als Ehrengast. „Sie ist uns ein Vorbild“, sagt Tanya Berndsen. „Mit welcher Stärke sie sich einer männerdominierten Filmszene entgegengestellt hat, ist unglaublich.“ Am 30. August ist Trottas preisgekröntes RAF-Drama „Die bleierne Zeit" auf der Leinwand der Kulturscheune zu sehen und am 31. August der Dokumentarfilm ihres Sohnes Felix Moeller „Sympathisanten – unser deutscher Herbst“.

„Auch Mauerfall und Europa sind unsere Themen“, sagt Berndsen. Mit der Dokumentation „24h Europe – The Next Generation" werden Ausschnitte aus dem Alltag von Jugendlichen gezeigt, Regisseurin Britt Beyer ist bei der anschließenden Diskussion dabei. „Schönheit und Vergänglichkeit“ wiederum porträtiert den Fotografen und Berghain-Türsteher Sven Marquardt, seine Freunde und seine Jugend in der Ostberliner Punk-Szene. „Eine Vor-Mauerfall-Berlin-Geschichte“, erzählt Susanne Suermondt. „Die Filmemacherin hat die Zeit des verrückten Berlins selber mitgemacht.“

Auch die anstehenden Landtagswahlen sind Thema

Fast die Hälfte der gezeigten Beiträge stammt aus dem Ausland. „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ ist eines der Highlights für Festivalmacherin Suermondt. In dem tragikomischen Drama sucht die arbeitslose Petrunya aus einer mazedonischen Kleinstadt verzweifelt einen Job und klammert sich an ein geweihtes Kreuz, das Glück bringen soll, aber nur Männern bestimmt ist. In „Der Glanz der Unsichtbaren“ geht es um weibliche Obdachlose in Frankreich. Und die schwedisch-britische Produktion „Scheme Birds“ zeigt laut Suermondt „eine schottische Gesellschaft, die komplett abdriftet“. Unter den 17 Spiel- und Dokumentarfilmen sind mehrere Premieren.

Mehr als bisher wird auch der filminteressierte Nachwuchs bedient: Eine kuratierte Auswahl für Sechs- bis Zwölfjährige ist im Gasthaus „Freilich am See“ zu sehen, in Kooperation mit Kuki, dem Internationalen Kurzfilmfestival für Kinder und Jugendliche Berlin. Außerdem läuft anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Kinderrechtsorganisation Save the Children „The Distant Barking of Dogs“, ein Drama über einen Jungen in der Ostukraine.

Integration durch filmische Zusammenarbeit will das Bildungsprojekt „Mix it!“ der Deutschen Filmakademie und des Vereins Bilderbewegen erreichen. 30 Jugendliche des Oberstufenzentrums Fürstenwalde haben Kurzfilme zum Thema „Wahlen“ gedreht, die am 29. August Premiere feiern. Ebenfalls das erste Mal präsentiert wird der Kurzfilm "Sinfonie der Kleinstadt", der in einem Sommer-Workshop mit einheimischen und geflüchteten Jugendlichen entstanden ist.

Ein Jahr brauchen sie, Tanya Berndsen und Yvonne Borrmann stets, um das Festival zu organisieren, sagt Suermondt. „Es ist weniger das Kuratieren der Filme als vielmehr Gelder zu akquirieren.“ Daimler und die Artprojekt Gruppe sind Hauptsponsoren, der RBB diesmal offizieller Medienpartner. Das Medienboard Berlin-Brandenburg und die Antonius Jugend- und Kulturstiftung fördern das Event und das „Haus am See-Stipendium“, das jungen Filmemachern ermöglicht, drei Monate auf dem Eibenhof zu wohnen. Damit in Bad Saarow nicht nur Filme gezeigt werden, sondern auch daran gearbeitet wird.

29. August bis 1. September, Gut Eibenhof in Bad Saarow. Programm und Tickets unter www.filmohnegrenzen.de

Anja Reinbothe

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