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Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (im Hintergrund) verlieh jetzt dem Gründungsdirektor des Jüdischen Museums, Michael Blumenthal, die Ehrenbürgerwürde Berlins.

© Sven Darmer/Davids

Gründungsdirektor des Jüdischen Museums: Michael Blumenthal jetzt Ehrenbürger von Berlin

Bei Nacht und Nebel flüchtete er 1939 vor den Nazis. 1997 kehrte er zurück nach Berlin und machte das Jüdische Museum zum kulturellen Leuchtturm. Michael Blumenthal ist ein Botschafter der Stadt - und nun auch ihr Ehrenbürger.

Als die Nachricht in Princeton eintraf, griff Michael Blumenthals Frau Barbara gleich zum Telefon, um dessen 93-jährige Schwester Stefanie in Connecticut anzurufen. „Rate mal, was deinen kleinen Bruder mit Bismarck und Marlene Dietrich verbindet?“ „Keine Ahnung“, sagte die. Was ihn außer mit diesen beiden auch noch mit Ronald Reagan und Gorbatschow in eine Reihe stelle. „Überhaupt nichts“, antwortete die Schwester. Und irrte.

Der Gründungsdirektor des Jüdischen Museums und frühere US-Finanzminister Michael Blumenthal erzählte diese Anekdote am Freitag im Berliner Rathaus. Kurz zuvor hatten der Regierende Bürgermeister Michael Müller und der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, dem 89-Jährigen die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen. Die Nachricht sei für ihn selber „ebenso unerwartet wie überwältigend“ gewesen. Es war eine sehr berührende Dankrede, die in dem Satz gipfelte: „So hat sich mein Leben gedreht.“ Denn natürlich kam auch das erste Berlin, das er gekannt hat, zur Sprache, das „sehr unschöne Berlin“.

Zwar habe ihm als Kind noch das volle Verständnis gefehlt für vieles, was er miterlebte. Doch gab es unvergessliche, beklemmende Eindrücke in der damaligen Hauptstadt Nazi-Deutschlands. Das Brüllen im Radio, das Gegröle von Kampfliedern, Pöbeleien und Beschimpfungen, das verwüstete Geschäft der Eltern am Olivaer Platz, die qualmende Synagoge in der Fasanenstraße, die Verhaftung des Vaters. Und schließlich die Flucht bei Nacht und Nebel, an einem düsteren Abend im April 1939, der folgte in China die traumatische Erfahrung, wie schwer es sein kann, in einem fremden Land mit grundverschiedener Kultur zurecht zu kommen. Damals war er sich sicher, dass absolut nichts von der emotionalen Bindung an seine ursprüngliche Heimatstadt übrig geblieben war.

Das Jüdische Museum in Berlin.
Das Jüdische Museum in Berlin.

© Jens Ziehe

Michael Müller erinnerte daran, wie Blumenthal 1997 als ehrenamtlicher Gründungsdirektor das damals in Konflikten festgefahrene Jüdische Museum übernahm, „ein amerikanischer Staatsbürger mit Berliner Wurzeln, welterfahren und seiner Familiengeschichte auf der Spur“. Das Museum machte er zum Leuchtturm, und es wurde für Blumenthal auch „eines der schönsten Abenteuer meines Lebens“. Erstmal war er schon 1953 gekommen, und dann fand er bei Europa-Reisen immer wieder Anlässe, bis er den Satz formulieren konnte: „Auch ich bin - wieder - ein Berliner.“

Der Regierende Bürgermeister nannte ihn „einen herausragenden Botschafter unserer Stadt“ mit seiner völkerverbindenden Persönlichkeit. Mit Edzard Reuter und Egon Bahr saßen zwei weitere Ehrenbürger im Publikum, mit Eberhard Diepgen und Walter Momper zwei ehemalige Regierende Bürgermeister, dazu Freunde und Weggefährten, eine Tochter, die Ehefrau. Mit einer stehenden Ovation ehrten sie den neuen Ehrenbürger. Der fährt übrigens gerne und viel mit der U-Bahn und darf auch das jetzt ehrenhalber tun.

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