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Renate Künast präsentierte am Mittwoch den Wahlprogramm-Entwurf ihrer Partei.

© DAPD

Wahlprogramm: Grüne rücken Künasts Fehlstart zurecht

Einige umstrittene Äußerungen der Grünen-Spitzenkandidatin kommen im Entwurf des Wahlprogramms nicht mehr vor. Von Tempo-30-Zonen oder Teilverbeamtung von Lehrern ist in dem ersten Wahlprogramm einer Berliner Partei nun keine Rede mehr.

Von Sabine Beikler

Die einen nennen es „Realitätsschreck“, die anderen sprechen von einem „Fehlstart“ ihrer grünen Spitzenkandidatin Renate Künast. Seit ihrer Krönungszeremonie Anfang November sorgte sie mit Aussagen über Tempo-30-Zonen, Gymnasien oder Teilverbeamtung von Lehrern bei Parteifreunden für Irritation. Von diesen Aussagen ist im Entwurf des Wahlprogramms, das an diesem Mittwoch vorgestellt wird, jedoch nichts übrig geblieben. Das Programm sei der „optimale Ort“, sagt ein Spitzenpolitiker der Partei, diese Äußerungen „geradezuziehen“.

Von einer Demontage der Kandidatin Künast spricht im Berliner Grünen-Landesverband niemand. Im Gegenteil: Die Basis ist durchgehend optimistisch aufgestellt. Die jüngsten Umfragewerte sehen die Grünen mit 24 Prozent hinter der SPD mit 28 Prozent. Deshalb kann die Parteibasis damit rechnen, dass sie nach der Wahl in den Bezirksverordnetenversammlungen stark vertreten ist und ihre Bürgermeisterkandidaten, die zurzeit gewählt werden, gute Chancen haben.

Fachpolitiker dagegen fühlten sich von Künast überrannt beziehungsweise gar nicht gefragt. Das war unter anderem der Fall, als sie die Flughafenplanung infrage stellte. Später revidierte sie ihre Äußerungen, steht nun zu einem interkontinentalen Flughafen. „Nicht gut informiert“ habe sie sich, hieß es damals. Auch Künast sagte vor gut zwei Monaten, das eine oder andere sei „verbesserungswürdig“.

Und sie reagierte auch: Einmal erschien die Bundespolitikerin in der Fraktion des Abgeordnetenhauses und betonte eine engere Zusammenarbeit. Nach mehr als zehn Jahren Bundespolitik fällt es nicht nur Künast schwer, jeden kleinen Winkelzug der landespolitischen Feinheiten, geschweige denn das Programm ihres Landesverbandes wortgenau zu kennen.

Mit dem Wahlprogramm, das Anfang März auf einer Landesdelegiertenkonferenz verabschiedet werden soll, versucht die Partei nach dem verpatzten Start ihrer Spitzenkandidatin gemeinsam ein zweites Mal durchzustarten. Das etwa 120-seitige Programm sei eine Mischung für das Parteivolk und die Wähler, heißt es. Bei Reizthemen wie der Diskussion um die Tempo-30-Zonen in Berlin wird lediglich darauf verwiesen, dass gut drei Viertel des Berliner Straßennetzes als Tempo-30-Zonen ausgewiesen sind. Von einer flächendeckenden Einführung oder einer Regelgeschwindigkeit ist konkret keine Rede.

Für Kritik sorgte im Dezember auch eine Äußerung von Künast, dass Gymnasien bis zum Ende der Legislaturperiode nicht abgeschafft werden. In dem Wahlprogramm ist von Gymnasien gar nicht die Rede, sondern von einem „Berliner Schulkonsens“, der mit allen Beteiligten erzielt werden solle. Was die Grünen nicht wollen, ist, in den kommenden fünf Jahren die „nächste Bildungssau“ durch das Dorf zu treiben, wie es im Entwurf heißt. Ergo: Es bleibt alles so wie es ist. Nur müsse die „Qualität an Schulen“ gesichert werden. Zur Lösung der S-Bahn-Problematik setzen die Grünen auf einen landeseigenen S-Bahn-Fuhrpark und eine Ausgliederung der Schieneninfrastruktur aus dem DB-Netz in Landesverantwortung. Der Betrieb soll ausgeschrieben werden. Damit übernehmen die Berliner Grünen die Forderung der Bundespartei, das Schienennetz zu regionalisieren.

Die Grünen sind die erste Berliner Partei, die ein Wahlprogramm vorstellt. Sollten sie damit gut „durchstarten“, wird vermutlich noch ein Regierungsprogramm vor der Wahl präsentiert werden.

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