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Fassade eines Mietshauses in Kreuzberg. Der Senat versucht solche Häuser vor zu starken Mietsteigerungen zu schützen.

© imago images/Dirk Sattler

„Herber Schlag im Kampf gegen Spekulation“: Grüne und Linke erschüttert über Entscheidung zum Vorkaufsrecht

Entsetzen in Teilen der Regierung, Entschlossenheit bei Aktivisten, die Wirtschaft sagt: „Seriöse Politik sieht anders aus.“ Reaktionen aufs Vorkaufsrecht-Urteil.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen das Berliner Vorkaufsrecht hat in der Berliner Regierungskoalition teils Entsetzen ausgelöst. Der amtierende Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Sebastian Scheel (Linke), nannte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine „Katastrophe“ für die Mieterinnen und Mieter in Berlin – und bundesweit. „Die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lässt mich fassungslos zurück“, teilte Scheel mit.

Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, sagte dem Tagesspiegel: „Wir bedauern den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht und werden ihn eingehend prüfen. Wir sind angetreten, alles dafür zu tun, um die Verdrängung von Menschen durch explodierende Mieten in unserer Stadt endlich zu beenden.“ Wohnraum dürfe keine Ware sein, sagte Schmidberger, ihn für die Menschen zu bewahren müsse Auftrag der Politik sein.

Der zuständige Bezirksstadtrat aus Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), der das Instrument besonders häufig eingesetzt hatte, teilte zu dem Urteil mit: „Die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein herber Schlag im Kampf gegen die Spekulation mit Wohnraum und gegen die Verdrängung von Menschen aus ihrer Nachbarschaft - nicht nur in Berlin, sondern auch in allen anderen Städten.“

Auch der Berliner Mieterverein sprach von einer bitteren Entscheidung. „Die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts torpediert die Versuche Berlins und anderer Städte, in den Milieuschutzgebieten durch das Vorkaufsrecht die stadtentwicklungspolitischen Ziele der sozialen Erhaltungsgebiete auszuüben und die Mieter- und Mieterinnen vor Verdrängung zu schützen“, erklärte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. „Der Stärkung des Gemeinwohls durch das Vorkaufsrecht der Bezirke wird damit ein herber Schlag versetzt“.

Franziska Giffey äußert sich verhalten zum Urteil

Verhaltener reagierte am Abend die künftige Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, sie sagte im "rbb" lediglich: „Ein Gerichtsurteil ist zu respektieren. Wir müssen uns ansehen, was das für Auswirkungen auf Berlin hat, und damit dementsprechend umgehen.“

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In der Wohnungswirtschaft wurde das Urteil differenziert bewertet. Maren Kern, Vorständin Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), teilte mit: „Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist kein Urteil gegen das wichtige Instrument des Vorkaufsrechts.“

Allerdings zeige die Entscheidung einmal mehr, wie hoch die Hürden für Eingriffe in Eigentumsrechte seien, ergänzte Kern. "Insofern macht das Urteil auch deutlich: Vorkaufsrechte sind zwar Teil, aber kein Ersatz für eine Strategie zur sozialen Stadtentwicklung und zum wünschenswerten Wachstum des gemeinwohlorientierten Wohnungsbestandes."

Enteignungsinitiative sieht sich in ihrer Arbeit bestätigt

Die Opposition in Berlin sprach von einer weiteren heftigen Niederlage für die rot-rot-grüne Stadtentwicklungspolitik. „Nach dem Mietendeckeldesaster ist der Paukenschlag aus Leipzig die nächste Totalblamage für Rot-Rot-Grün“, teilte CDU-Chef Kai Wegner mit. „Wer so vorgeht, schadet Mietern, anstatt sie zu unterstützen. SPD, Linke und Grüne haben jede Glaubwürdigkeit in der Mietenpolitik verloren.“

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin schloss sich der Kritik an der Landesregierung an. Der neue Vorsitzende Daniel-Jan Girl sagte: „Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sollte sich die Berliner Landespolitik langsam fragen, ob sie sich weiterhin mit rechtlich gescheiterten Markteingriffen einen Namen machen will. Seriöse Politik sieht anders aus.“ Berlin brauche im neuen Senat Lösungen, die politisch und rechtlich fundiert seien.

Bei der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" sah man sich in der eigenen Arbeit bestätigt. Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative, sagte dem Tagesspiegel: "Die Abschaffung des Vorkaufsrechts ist ein herber Rückschlag beim Kampf um eine soziale Wohnungspolitik. Jetzt werden grundsätzliche Lösungen gebraucht: einen bundesweiten Mietenstopp und die Vergesellschaftung der großen Immobilienkonzerne."

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