zum Hauptinhalt

Berlin: Gutachten gegen Gutachten

Expertise der Charité zur Fusion der Unikliniken: Die Zusammenlegung könnte 3,5 Milliarden Euro kosten

Die geplante Fusion der Universitätskliniken von Freier und Humboldt-Universität könnte teuer werden. Nach einem Gutachten, das die Charité gestern vorstellte, kommen auf das Land Kosten von bis zu 3,5 Milliarden Euro zu. Das Uniklinikum hatte das Gutachten im Oktober in Auftrag. Anlass war die Empfehlung der vom Senat bestellten Expertenkommission, Charité und Benjamin-Franklin zu einer medizinischen Fakultät zusammenzulegen und das Virchow-Klinikum langfristig zu einem städtischen Krankenhaus zu degradieren. Dadurch soll das Land ab 2010 jährlich 98 Millionen Euro an Zuschüssen für die Hochschulmedizin einsparen. „Ich halte dieses Expertengutachten für nicht umsetzbar“, sagte Charité-Verwaltungsdirektor Bernhard Motzkus gestern.

Seine Hauptkritik lautet, dass in der Kommission unter Leitung des Wissenschaftlers Winfried Benz keine Wirtschaftsfachleute mitgearbeitet hätten und deshalb die Folgekosten der Fusion nicht berücksichtigt worden seien. Folgekosten zum Beispiel dadurch, dass man mit ganzen Abteilungen umziehen und umfangreiche Umbauten bewerkstelligen müsste oder dass die Kliniken durch die geplante Bettenreduktion um ein Drittel massive Verdienstausfälle zu verkraften hätten. Aus diesem Grunde gab der Charité-Vorstand den Wirtschaftsprüfern von „Ernst & Young“ den Auftrag, diese Kosten zu berechnen. Das Ergebnis: Die Umsetzung des Benz-Gutachtens kostet je nach Berechnungsgrundlage zwischen 2,75 und 3,5 Milliarden Euro. Im schlimmsten Falle bedeutet dies, dass Berlin erst nach 35 Jahren tatsächlich Geld sparen würde.

Der ärztliche Direktor der Charité, Manfred Dietel, möchte diese Summe nicht bestätigen. Es gehe zunächst um die staatlichen Zuschüsse für die Forschung und Lehre – genau hier wolle der Senat ja sparen. Die Folgekosten für die normale Krankenversorgung seien in dieser Rechnung nicht zu berücksichtigen. Unter dieser Prämisse rechnet Ernst & Young mit Kosten von 300 bis 500 Millionen Euro.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, hält die Zahlen für nicht überzeugend, weil der Auftraggeber immer auch das Gutachten beeinflusse. Gaebler bezeichnet die Beraterfirma zwar für grundsätzlich seriös, aber: „Ernst & Young arbeiten schon seit Jahren mit der Charité zusammen und haben sich immer bereitwillig auf die Zahlenspielereien von Herrn Motzkus eingelassen.“ Dies gelte zum Beispiel für die Bewertung der Tochtergesellschaften der Charité, von denen Motzkus behaupte, er spare mit ihnen 80 Prozent der Kosten ein (siehe nebenstehenden Artikel). Deshalb sei die Gefahr groß, dass bei der vorliegenden Expertise der Bewertungsspielraum, den Wirtschaftsprüfer haben, zu Gunsten des Auftraggebers genutzt wurde. Motzkus weist diese Kritik zurück. „Jeder Wirtschaftsprüfer würde für ein Gefälligkeitsgutachten sofort seine Lizenz verlieren.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false