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Berlin: Haarige Reime im Nahkampf

Als Ulrike Meinhof schon im Untergrund lebte, ließ sie sich von Udo Walz frisieren. Das inspirierte ihre Tochter jetzt dazu, sich als reimende Figaro-Poetin zu versuchen

Etwas fehlte noch. Richtig. Das Walz-Gedicht, als ultimatives Epos der Figaro-Poesie. Der Friseur-Roman war gestern. Die Journalistin Bettina Röhl läutet einen neuen Akt ein in der Shampoo-Oper um die Frage „Wer ist der berühmteste Barbier im ganzen Land?“ Während der Münchner Konkurrent Meir noch mit literarischen Kokslinien Thrill ins Salon-Geschäft bringen will, greift die Tochter von Ulrike Meinhof tief in die Terror-Kiste, um Udo Walz bei der Aufholjagd mit diabolischem Verschwörungs-Glamour behilflich zu sein .

Dabei begnügt sie sich keineswegs mit investigativen Enthüllungsartikeln. („Der Mann, der der Meinhof den Pony schnitt“, Rheinische Post, 23. 8.); sie lässt es auch nicht bei historisierenden Gesellschaftsreportagen („Wie der Berliner Friseur Udo Walz im Jahr 1970 der Terroristin Ulrike Meinhof zu einer Frisur verhalf“, Die WELT, 3.9.). Und auch hübsch wortspielerische Internet-Texte „Die Berliner Republik tanzt den Udo Walzer“ sind ihr noch nicht genug. In Zeiten, da selbst Provinz-Figaros mehr PR-Angestellte als Shampoonierer beschäftigen, müssen definitiv härtere Geschütze ran.

„Die Vergangenheit von Starfriseur Udo Walz“ steht als Schlagzeile über den 25 weitgehend gereimten Strophen eines investigativen Gedichts über den dreißig Jahre zurückliegenden Friseurbesuch von Ulrike Meinhof bei Udo Walz. Damals, wir schreiben das Jahr 1970, unterhielt der heute 59-Jährige seinen Salon in einer Art Wohnzimmer am Fasanenplatz, 1. Etage. So ein Ambiente galt in jenen Tagen als superhip, unter anderem Nadja Tiller und Inge Meysel gingen dort unter die Haube.

Eines Tages saß also auch Ulrike Meinhof da, die Journalistin, die den Wandel von der arrivierten Hamburgerin zur RAF-Terroristin hinter sich hatte und dringend eine neue Frisur für den falschen Pass brauchte. Ein Promi-Friseur musste damals noch nicht notgedrungen auch als „Rundumdurchblicker“ und „Politphilosoph“ (Röhl) agieren, er durfte sogar unpolitisch sein.

„Ich kannte die gar nicht“, sagt er. „Man muss ja schließlich kein polizeiliches Führungszeugnis mitbringen, wenn man zum Friseur will.“ Erinnert hat er sich an die Kundin, die er später dann auf einem Fahndungsplakat mit seiner Frisur wiedererkannte, vor allem, weil sie schwierig war. Sie wollte unbedingt statt der langen dunklen Haare, die sie trug, eine kurze Blondfrisur. „Das wird nicht schön“, warnte der Friseur. „Von dunkel auf blond, das macht man nicht.“ Die Dame sei aber sehr bestimmend gewesen. „Da gab es keine Diskussionen.“ Also blond. Der falsche Pass geriet dann rasch in die Hände der Polizei und die Frisur aufs Fahndungsfoto. Nach dem ersten Schreck nahm’s der Strähnchen-Maestro gelassen. „Man kann ja nicht den Beruf aufgeben wegen so was.“ Irgendwann drohte die RAF mal, seinen Laden in die Luft zu springen, aber er hat nie herausgefunden, ob die Drohung richtig echt war.

Nun will Röhl mit dem bewusstseinserweiterten Feuer gnadenloser 68er Kommunarden die Sache endlich richtig ausdiskutieren: „Deshalb lieber Walz, verstecke Dich nicht/Erzähl nun öffentlich die wahre Geschicht’/Du bist der Friseur von Schröder und Ehepaar Rau/Du kennst die Wahrheit ganz genau“. Auch ein berühmtes Haarfärbe-Urteil und weitere vergleichsweise junge Kunden des Mitbegründers der Sparte Promi-Friseur kommen vor, Angela Merkel, Sabine Christiansen etc.: „Jetzt macht Walz das Frisürchen von Frau Köpf/So wandelbar ist das menschliche Geschöpf“.

Okay, die Oper zum Friseur war schon zur Mozart-Zeit en vogue. Aber wo bleibt nun eigentlich die Friseur-Partei? Was vom Klassenkampfe übrig bleibt, ist schließlich mehr als Haarspalterei, ist ein universales Waschenschneidenfärben. Friede den Schuppen, Krieg den Perücken.

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