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Karlshorster Zeiten: Die Bandmitglieder von "SIND" sind dort gemeinsam zur Schule gegangen und blieben befreundet. 

© Johannes Schroeder

Berliner Band „SIND“: Der Soundtrack ihrer Jugend

„SIND“ haben sich auf dem Holzmarktgelände zusammengefunden. Gitarrist Hannes Husten kommt aus Karlshorst und hat dem Ortsteil eine Hymne geschrieben. 

Die Band „SIND“ hat am 23. Oktober ihr zweites Album mit dem Titel „Vielleicht ist es anders, als du denkst“ herausgebracht – darauf ein Lied mit dem Titel „Karlshorst“Gitarrist Hannes Husten und die Ex-Mitglieder Max Zahl und Arne Grothkopp sind in dem Lichtenberger Ortsteil zur Schule gegangen, lernten später den Schlagzeuger Ludwig Noack und den Bassisten Mathias Voelzke kennen. Mittlerweile ist auch Bassist Normen Süß dabei.

Auf dem Holzmarkt-Gelände in Friedrichshain proben sie, doch die Erinnerungen an Karlshorst bleiben und prägen die Texte. „Wir sind nicht mehr da, doch bleiben deine Kinder“, heißt es in dem Lied. Husten spricht im Interview über die wohl am wenigsten besungene Ecke Berlins.

Herr Husten, warum haben Sie ein Lied über Karlshorst geschrieben?
Max, Arne und ich sind dort aufgewachsen, zwischen Tierpark und Trabrennbahn. Heute sind wir dort nur noch auf Besuch bei unseren Familien. Doch die alten Geschichten und Erinnerungen sind weiterhin wach. Das Lied ist quasi der Soundtrack unserer Jugend.

Wie war es, dort aufzuwachsen?
Karlshorst ist wie ein Dorf. Alles ist nur wenige hundert Meter weit. Eisdiele, Bäcker, dann Späti, aber auch die verlassenen Kasernen, wo wir uns rumtrieben. Da gab es Mythen, aber auch rührende Geschichten, die in einigen unserer Texte auftauchen. Zum Beispiel die versteckten Häuser, in denen angeblich die Zigarettenmafia Leute quälte. Oder die Männer, die gemeinsam alte Lieder singen.

Wie hat sich Karlshorst entwickelt?
Karlshorst ist grün, auch wenn es kaum noch zugewucherte Ruinen gibt. Dafür reiht sich um die Trabrennbahn ein Einfamilienhaus ans andere. Vor dem Gelände der früheren vietnamesischen Botschaft, die bis 1969 ihren Sitz in der damaligen Treskowallee hatte, wehen heute die Fahnen von Versicherungen und Pflegediensten. Im alten Kaiserbahnhof ist ein Biomarkt. Das neugebaute Kulturhaus hat eine Galerie gegenüber dem alten Buchladen. Doch das Theater am Markt steht leer, seit ich denken kann. Karlshorst ist Heimat, vertraut geblieben, auch wenn es mich über die Jahre in viele Ecken der Welt verschlagen hat.

Freundschaft: Hannes Husten (ganz links) mit seiner Band "SIND". 
Freundschaft: Hannes Husten (ganz links) mit seiner Band "SIND". 

© Eyecandy Berlin

Karlshorst endete für uns aber nicht an der Wuhlheide. Nichts ist schöner als an der S-Bahn durch den Wald bis zur Alten Försterei zu laufen. Und niemals vergessen: Eisern Union! Beim Aufstieg lag ich nach Abpfiff im Mittelkreis - mit einem Tränchen im Auge. Ich habe ein kleines Stück Rasen aus dem Stadion mitgenommen, als Erinnerung. Ich versuche, es auf dem Balkon am Leben zu halten, leider relativ erfolglos.

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Die Band hat sich dann auf dem Holzmarkt zusammengefunden. Wie lief das ab?
Im Juli 2013 hatte die Genossenschaft, zu der ich auch gehöre, gerade das Holzmarkt-Gelände übernommen. Dazu gehörten auch die Viaduktbögen, in denen vorher Stadtreinigung und ein Autohaus ihre Lager hatten. Wir entrümpelten alles und richteten uns provisorische 'Büros' in einem alten Flachbau auf dem Gelände auf. Es war viel Platz. Ludwig, der gerade in Hamburg studierte, kam als Praktikant zum Holzmarkt. Das Trommeln seiner Finger ließ jeden merken, er spielt Schlagzeug. Arne, Max und ich hatten schon früher zusammen Musik gemacht. Also nahmen wir einen freien Viaduktbogen und begannen zu spielen. 

Der Bandname ist noch in den Boden geritzt. 
Der Bandname ist noch in den Boden geritzt. 

© privat

Drinnen, in einem gemauerten Verschlag, so groß wie ein Container, hörte uns keiner. Eng, heiß, laut - so wie es sein soll. Nur die S-Bahn über unseren Köpfen machte noch mehr Krach und brachte uns manchmal aus dem Takt. Vor den Verschlag stellten wir eine alte Couch, eine Tischtennisplatte und ein Brett über den Kasten Bier als Tisch. Dort entstanden dann die ersten Lieder. Gut, dass wir uns am nächsten Morgen an sie erinnerten. Heute ist nur noch der in den Beton gekratzte Bandname zu sehen, wo jetzt die Garderobe des Clubs Kater Blau ist. 

Am 23. Oktober ist euer Album erschienen. Habt ihr wegen Corona darüber nachgedacht, damit noch zu warten?
Worauf? Dass sich die Umstände ändern? Gerade die Coronazeit hat uns als Band und auch das Album geprägt. Klar vermissen wir die Festivals und Konzerte, die Atmosphäre, das Publikum. Wenn wir im Alltag Abstand halten, ist das für uns kein Social Distancing. Musik ist wichtiger denn je, überhaupt Kultur. 

Wir produzieren in unserem Studio 25 ja auch andere Formate: Lesungen, Talks, haben ein eigenes Label gegründet, einen Gemischtwarenladen am Holzmarkt eröffnet. Dort gibt es Tabak, Snacks und Kultur, Fahrradventile, Bücher, Lakritzschlangen einzeln aus dem Glas, Windeln und Pflaster, Nadel, Faden und wir spielen dort auch Musik.

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