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Poesiealbum. Der Modemacher trug sich am Nachmittag ins Buch ein. Er schrieb: „Jean Paul Gaultier – Ex-enfant terrible – happy to be in berlin“. Foto: Davids/Darmer

© DAVIDS/Dominique Ecken

Berlin: „Happy to be in Berlin“

Modemacher Jean Paul Gaultier ist angereist, im Roten Rathaus schreibt er einen Gruß ins Gästebuch der Stadt. Was passiert eigentlich mit den Kritzeleien?

Da liegt es, das Gästebuch von Berlin, 40 Zentimeter breit, vier Zentimenter tief, roter Schnitt, ein stummer Zeuge der Bedeutung dieser Stadt. Gleich wird Jean Paul Gaultier den Füllfederhalter zücken und den gut 300 prominenten Namen, die hier bereits versammelt sind, seinen eigenen hinzufügen. „Berlin kann in Sachen Mode zwar nicht mit Paris mithalten, aber wir holen auf“, sagt Klaus Wowereit, bevor der dem französischen Modemacher einen Porzellan-Bären von KPM schenkt. Der setzt sich und schreibt weitausholend: „Merci pour cet honneur et le souvenir memorable (Danke für diese Ehre und die denkwürdige Erinnerung). Jean Paul Gaultier, Ex-enfant terrible.“ Dann gibt’s Sekt, und im Gästebuch steht wieder ein Name mehr.

Gaultier befindet sich in illustrier Gesellschaft. Im Gästebuch verewigen sich vor allem Sportler, Künstler und andere Prominente. „Wenn sie in der Stadt sind und es sich anbietet, werden sie vom Regierenden Bürgermeister im Wappen- oder Säulensaal empfangen. Das ist als nette Geste zu verstehen“, erklärt Wolfgang Schyrocki, Leiter des Referats Protokoll der Senatskanzlei. Der klassische Fall sind Gewinner des Berlinale-Eisbären wie Armin Müller-Stahl. Meryl Streep allerdings hat es nicht geschafft. Dafür sehr viele andere: Martin Luther King, Igor Stravinsky, Billy Wilder, Indira Gandhi, Julio Iglesias, Diana, Vladimir Horowitz – der neueste Eintrag stammt von den Meisterspielern der Berliner Eisbären. Gruppen verewigen sich übrigens immer gemeinsam auf einer Seite, ansonsten ist für jeden Gast eine Seite reserviert. Ein Berliner Kalligraph fertigt extra den Namen in einem eigenen Schrifttyp an. Das alte Gästebuch hat viele Jahrzehnte ausgereicht, 2007 musste dann ein neues angefertigt werden.

Genaugenommen existieren aber mehrere Bücher. Vom Gästebuch zu unterscheiden ist das Goldene Buch. Das ist für Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Monarchen oder die Bürgermeister der Partnerstädte reserviert. Ein solches Buch gibt es in vielen Städten. Die Tradition begann mit dem Libro d’Oro, ein Register, das seit dem Mittelalter in den oberitalienischen Städten, vor allem Venedig, den Adel verzeichnete, der an politischen Entscheidungen teil hatte. In Venedig wurde das Libro d’Oro 1797, mit dem Einmarsch der Franzosen, verbrannt.

Berlin schwang sich erst sehr viel später zu einer selbstbewussten Kommune auf. „Die Stadt besaß vermutlich ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Goldenes Buch, aber das ist nicht überliefert“, sagt Wolfgang Schyrocki. Der Zweite Weltkrieg hinterließ nur einzelne Blätter, der früheste Eintrag stammt von Prinzregent Ludwig von Bayern, das war 1913. In Ost- wie West-Berlin wurden ab 1949 neue Goldene Bücher aufgelegt, Theodor Heuss im West- und Otto Grotewohl im Ostbuch waren die ersten, sich sich eintrugen. Seit der Wiedervereinigung wird das West-Berliner Buch fortgeführt, inzwischen gibt es acht Exemplare davon. Berlin war im Kalten Krieg wichtig, jedes Staatsoberhaupt wollte sich verewigen, Kennedy und alle anderen amerikanischen Präsidenten natürlich, Johannes Paul II., auch der japanische Tenno, der Dalai Lama, die Queen. Die war zwar häufiger in Berlin, aber eintragen darf man sich trotzdem nur einmal – es sei denn, man bekleidet nacheinander mehrere Ämter wie Jacques Chirac. Der ist drei Mal vertreten: Als Bürgermeister von Paris, als Premierminister und Staatspräsident. Und was schreiben die gekrönten Häupter und Staatschefs nun so rein? Da sollte man nicht zu viel erwarten, viele grüßen nur die Stadt Berlin und unterschreiben. Vaclav Havel hat grüne Schrift benutzt und ein rotes Herzchen dazugemalt, das ist schon das höchste der Gefühle. Im Roten Rathaus (geöffnet Montag bis Freitag 9-18 Uhr) befindet sich eine Vitrine, in der der jeweils aktuellste Eintrag aus entweder dem Goldenen Buch oder dem Gästebuch besichtigt werden kann. Blättern ist allerdings nicht möglich, das geht nur nur zu besonderen Anlässen wie der „Langen Nacht der Museen“. Das Buch, das nicht gerade ausliegt, sowie alle älteren Bücher werden ein einem Stahlschrank in der Senatskanzlei verwahrt.

Und warum war nun Jean Paul Gaultier überhaupt in der Stadt? Der 60-Jährige hat sich ja seit langem auch einen Namen in der Parfümszene gemacht. Freitag Abend sollte er anlässlich der Verleihung des „Duftstars 2012“ einen Ehrenpreis im Tempodrom erhalten. Der Laudator: Klaus Wowereit.

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