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Im Bett fühlen sich die Hausstaubmilben am wohlsten.

© Reuters

Hausstaubmilben: Hauptkampfzone Schlafzimmer

Hausstaubmilben bilden ein Paralleluniversum, das sie meisten von uns zum Glück komplett ignorieren können. Allergiker haben diesen Luxus nicht.

Der Mensch ist nie allein. Wir befinden uns stets in Gesellschaft hunderttausender tierischer Gefährten, die mit dem bloßen Auge nicht zu sehen sind und über die sich deshalb die meisten keine Gedanken machen. Leben und leben lassen! Doch für manche ist diese Beziehung nicht harmonisch. Für Allergiker werden die unsichtbaren Mitbewohner zur Plage, verantwortlich für tränende, juckende Augen, verstopfte Nasen und Atembeschwerden. Besonders die Hausstaubmilbe.

Ginge es ums Hausrecht, hätten die Milben die Nase vorn. Sie leben schon Millionen von Jahren auf der Erde und sind weltweit verbreitet. Biologen zählen sie zur Familie der Spinnentiere. Zum Überleben brauchen sie Sauerstoff und Wasser, die sie über die Haut und durch den Mund aufnehmen. Erst unter dem Mikroskop sieht man, wie sie wirklich aussehen: zwischen 0,1 bis 0,5 Millimeter groß, tragen sie winzige Borsten und haben oft einen fein gestreiften Panzer. Ihre im Verhältnis zum Kopf gewaltigen Mundwerkzeuge geben ihnen ein furchterregendes Aussehen, das an gefräßige Sci-Fi-Aliens erinnert.

Wohnungen sind ein Paradies für Milben

Doch auch wenn die Milben den Menschen als üppige Nahrungsquelle entdeckt haben, nagen sie ihn glücklicherweise nicht an, sondern ernähren sich von dem, was er fallen lässt: Hautschuppen und Haare. Da jeder Mensch täglich ein Gramm Schuppen verliert, sind unsere Wohnungen wahre Paradiese für Milben, in dem das Futter vom Himmel regnet. „Ein Gramm Hautschuppen kann mühelos eine Million Milben ernähren“, erklärt Allergologe Karl-Christian Bergmann vom Allergiezentrum der Charité. Und wenn die Wohnung das Paradies für Milben ist, dann sind die Betten ihr Schlaraffenland, denn dort verbringen Menschen ein Drittel ihres Lebens. „Doch sie verstecken sich längst nicht nur in unseren Wohnungen“, sagt Bergmann, der auch den Polleninformationsdienst leitet. Sondern auch im Auto, im Büro, in der S-Bahn oder im Bus. Die meisten können froh sein, nicht zu wissen, was in der sie umgebenden Welt dahinkreucht und -fleucht. Allergiker können sich diesen Luxus nicht leisten. Auch wenn sie wollten, können sie die unsichtbare Welt nicht ignorieren.

Ihre Reaktionen wie Schnupfen, tränende oder juckende Augen und ständiges Niesen nennen Mediziner allergische Rhinitis. In schwereren Fällen kann sie zu Husten, Atemnot oder Ekzemen auf der Haut führen. Der Grund: Eiweiße lassen das fehlprogrammierte Immunsystem mit den brutalstmöglichen Mitteln anspringen. Mediziner nennen diese Eiweiße dann Allergene. Sie finden sich in Pollen, bestimmten Nahrungsmitteln und in den Milben und ihren Ausscheidungen. „Das Allergen steckt nicht nur im Kot, sondern auch in der Hülle der Milben“, sagt Bergmann. Stirbt eine Milbe, zerfällt ihr Leib wie der jedes Lebewesens zu Staub. Bei den Milben geschieht das recht schnell. Die zerfallenen Körperchen der verendeten Tiere und ebenso die Kotbällchen der lebenden Artgenossen vermischen sich mit dem Hausstaub, werden immer wieder aufgewirbelt und eingeatmet. Wie viel Allergen sich in jedem Gramm Staub befindet, ist abhängig von der Jahreszeit. Vor allem in Herbst und Winter machen sich die Milben besonders heftig bemerkbar. Dann ist die Luft in geheizten Räumen viel trockener. Wegen des Feuchtigkeitsmangels sterben besonders viele der Tiere.

Mediziner nutzen den Prick-Test

Wer die Lebenszyklen der Hausstaubmilben kennt, hat schon einmal gute Hinweise darauf, ob er unter einer Hausstauballergie leidet. Treten typische Erkältungsbeschwerden unerklärlicherweise immer zu Beginn der Heizperiode auf und besonders heftig in der Wohnung oder im Bett? Dann sollte man einen auf Allergiebehandlungen spezialisierten Arzt – meist einen Dermatologen – aufsuchen. Der kann auf ein ganzes Arsenal an Methoden zurückgreifen, um eine Allergie zu diagnostizieren. Zunächst wird er sich die Schleimhäute in der Nase und im Mund anschauen, um die Intensität der Symptome einzuschätzen. Erst dann macht er sich daran, herauszufinden, welches Allergen seinen Patienten quält. Das Mittel der Wahl ist der sogenannte Prick-Test. Der Mediziner trägt Tröpfchen der verschiedensten Allergene auf die Haut auf und sticht bei jedem Tröpfchen mit einer winzigen Nadel in die Haut oder ritzt sie leicht an. Bildet sich unter dem jeweiligen Tröpfchen eine Quaddel, ist das ein guter Hinweis auf eine gewisse Überempfindlichkeit, allerdings noch nicht auf eine Allergie.

Auch bei der Hausstauballergie ist es einen Versuch wert, den Allergenen aus dem Weg zu gehen. Wir können sie nicht sehen, aber wissen, wo sich die Milben am wohlsten fühlen. Sie brauchen Wärme und hohe Luftfeuchtigkeit. Und ihre Überreste sammeln sich im Hausstaub. Also sollten die Betroffenen den Staub in ihrer Wohnung so regelmäßig und gründlich wie möglich entfernen und Staubfänger, wie Möbelstücke, unter denen man nicht wischen kann, oder all den Tinnef auf Regalen und Fensterbänken, der so gern Staub anzieht, entfernen.

Linderung ist möglich, Heilung sehr viel schwieriger

Hauptkampfbühne aber ist das Schlafzimmer. Denn wie beschrieben: Im Bett, in dem der darin liegende Mensch gleichzeitig eine riesige Heizung, ein Luftbefeuchter und Ernährer ist, herrscht das größte Gedränge der kleinen Tierchen. Doch es gibt Wege, den Biestern die Freude am Schlaraffenland ein wenig zu vermiesen. Tagsüber sollte man das Bett möglichst kühl und trocken halten. Gerade im Herbst und Winter heißt es also: Decken aufschlagen und regelmäßig lüften. Wenn wir aber selbst im Bett liegen, mögen wir es kuschelig warm – genau wie unsere kleinen Mitbewohner. Dennoch, mit einigen Tricks können wir die Milben auf Abstand und damit die Allergie im Zaum halten. „Allergiker können die Matratze mit einem speziellen Schutzbezug einhüllen, sodass die Milben nicht mehr von unten nach oben kriechen können“, sagt Bergmann. Einige Krankenkassen bezahlen diese Schutzbezüge.

Aber all das lindert zwar die Beschwerden, heilt sie aber nicht. Das geht nur über eine Immuntherapie, die zeitaufwendig und nicht immer erfolgreich ist. Die sogenannte Hyposensibilisierung gewöhnt den Patienten behutsam an die Allergene, bis das Immunsystem endlich Ruhe gibt. Dazu bekommt er wöchentlich die Substanz zunächst in niedriger und dann immer weiter gesteigerter Konzentration injiziert. Das Immunsystem gewöhnt sich an das Allergen und bildet weniger der Antikörper, die für die heftigen Abwehrreaktionen sorgen. Gelingt das, kann der Hausstauballergiker, so wie alle anderen Menschen, die ihn umgebenden Gefährten vielleicht ein wenig possierlicher finden. Er kann sie aber auch einfach vergessen.

Dieses und weitere Themen finden Sie in Ausgabe 9 des Magazins „Tagesspiegel GESUND“. Das Heft widmet sich dem Schwerpunkt „Haut & Allergien“. Es kostet 6,50 Euro und ist erhältlich am Kiosk oder im Tagesspiegel-Shop unter der Telefonnummer 030/29021-520 oder unter www.tagesspiegel.de/shop. Informationen zur Hausstauballergie, wie man ihr vorbeugt und damit umgeht, bieten deutsche Lungenärzte unter lungenaerzte-im-netz.de.

Von Floris Kiezebrink

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