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Alles rot: Bildungspolitik in Berlin wird von der SPD gemacht.

© Gestaltung: Tsp/Schuber, Foto: Shutterstock/chinasong

Hehre Ziele, viele Reformen, schwache Leistungen: 25 Jahre SPD-Bildungspolitik in Berlin – die Geschichte eines Versagens

Seit dem 25. Januar 1996 leitet die SPD das Bildungsressort. Vier Senatoren kamen, drei gingen. Die Schülerleistung blieb im Keller. Ein Erklärungsversuch.

Es war einmal ein herrlicher Berliner Sommertag. Die Bildungssenatorin hatte gerade verkünden müssen, dass nicht einmal mehr die Quereinsteiger reichen würden, um die 400.000 Schüler der Stadt zu unterrichten: Pensionäre, Studierende, Logopäden – sie alle seien willkommen, die Lücken zu stopfen. Nun gut, sagte sich eine leidenschaftliche Lehrerin im Ruhestand. Ich melde mich zum Dienst in der Not. Aber einen Anschluss fand sie nicht.

Die Anekdote ist zweieinhalb Jahre her, steht aber für vieles, was sich jederzeit wieder so oder ähnlich abspielen könnte in Berlin. Das Muster lautet: Im Dienst nach Vorschrift wird der selbst verursachte Mangel schlecht verwaltet. Aber wann hat das angefangen? Und warum? Ist es die Agonie, die zwangsläufig eintritt, wenn eine Verwaltung zu lange von ein und derselben Partei regiert wird?

Die Frage wird man stellen können, wenn eine Partei ein Vierteljahrhundert lang die Führung innehat. Denn dieses Jubiläum ist jetzt da: Unauffällig hat es sich genähert, und außer Wikipedia dürfte kaum noch jemand wissen, dass – nach 20-jähriger Pause – am 25. Januar 1996 die SPD zurück an die Spitze des Berliner Schulwesens zog.

Die Verwaltung hat offenbar Dringenderes zu tun, als zur Feier der sozialdemokratischen Dauervorstellung ein paar Flaschen Sekt zu köpfen. Zumindest wird die Anfrage nach einer möglichen offiziellen Würdigung mit Befremden quittiert. Soll heißen: Gefeiert wird nicht. Aber zurückschauen sollte man schon dürfen – zur Silberhochzeit quasi.

Denn es gab ja durchaus auch gute Zeiten in dieser langen „Ehe“. Unter der SPD wurde Berlin der bundesweite Vorreiter bei Ganztagsschulen und Inklusion mit einem extrem breitgefächerten Angebot besonderer und sehr durchlässiger Schulen. Die Stadt konnte die Hauptschulen überwinden, richtete schneller als andere Kommunen Willkommensklassen für die Geflüchteten ein, hält den Elternwillen hoch bei der Schulwahl, veröffentlicht wichtige "schulscharfe" Leistungsdaten und gibt den Schulleitern mehr Eigenverantwortung als viele andere Länder.

„Es war nicht alles schlecht“, resümiert eine bundesweit geschätzte Akteurin der Berliner Schule, der Häme fernliegt, und die eher nach konstruktiven Ansätzen sucht, um die Verwaltung besser zu machen; gleichzeitig aber sei sie immer wieder erschreckt vor dem, was sie „organisierte Verantwortungslosigkeit“ nennt. Also noch mal die Frage: Woran krankt es? Ist es die Agonie einer zu langen Ein-Parteien-Herrschaft?

Parteienfilz - gibt es überall

Die Politikwissenschaft nennt keine allgemeingültigen Verfallszeiten für die Lebendigkeit, Aufrichtigkeit und Schlagkraft einer Verwaltung, die lange in der selben Hand liegt. Zwar erinnern sich – nicht nur – Politikwissenschaftler an die Berichte über Filzpraktiken von Langzeitregierern in Hamburg (SPD), Dresden (CDU) oder München (CSU). Gleichzeitig kann aber das jahrzehntelang CSU-geführte Bildungsministerium in Bayern als Paradebeispiel dafür gelten, dass die Schulpolitik unter einer Parteienmonotonie nicht leiden muss, sofern andere Bedingungen stimmen. Aber welche Bedingungen sind das?

„Eine funktionierende Verwaltung“, lautet die häufigste Antwort auf die Frage, was denn Berlins Schulen fehlt. Aber: Warum fehlt sie? Ist es vielleicht doch ein parteibezogenes Postengeschacher, das eine Bestenauslese in der Verwaltung verhindert?

Die Hälfte der Sekundarschüler liest schlecht. An den Problemschüler gibt es fast ausschließlich schwache Leser.
Die Hälfte der Sekundarschüler liest schlecht. An den Problemschüler gibt es fast ausschließlich schwache Leser.

© dpa

"Ich habe nie jemanden parteilich in der Bildungsverwaltung protegiert"

Ein derartiger Vorwurf stand 2019 im Zusammenhang mit einer Besetzung einer Führungsstelle im Raum. Aber ein irritierender Vermerk des ehemaligen SPD-Staatssekretärs Mark Rackles ließ sich auf Nachfrage aufklären: „Auch wenn Sie mir es nicht glauben werden: Ich habe nie jemanden parteilich in der Bildungsverwaltung protegiert. Nie“, betont Rackles, der von 2011 bis 2019 den Führungsposten an der Seite von Bildungssenatorin Sandra Scheeres inne hatte. Mitarbeiter bestätigen die Aussage des ehemaligen Berliner SPD-Vizevorsitzenden. Ähnliches wird auch von Scheeres’ Vorgänger Jürgen Zöllner berichtet.

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„Zöllner ist nun wirklich kein Parteimensch. Weder war er in der Berliner SPD verankert, noch war er dort als „Zugezogener“ besonders beliebt. Auch wenn er im Herzen Sozialdemokrat ist“, sagt ein Mitstreiter ohne Parteinähe. Ebenso wird Ingrid Stahmer und ihrem Nachfolger Klaus Böger noch immer zugute gehalten, dass sie grüne Fachleute in das Haus holten. Zöllner ging es ebenfalls mehr um Expertise als um's Parteibuch.

Analog holte Scheeres – als beim Schulbau nichts mehr ging – den CDU-Mann Wilfried Nünthel, und für die Inklusion ihre grüne Vor-Vor-Vorgängerin Sybille Volkholz. Selbst Leitungsposten seien nur vereinzelt von SPD-Mitgliedern besetzt, heißt es aus der Behörde.

Politisches Schwergewicht: Jürgen Zöllner (SPD) setzte die Sekundarschulreform durch.
Politisches Schwergewicht: Jürgen Zöllner (SPD) setzte die Sekundarschulreform durch.

© Kitty Kleist-Heinrich

Ein "linker Stallgeruch" kann nicht schaden

„So platt funktioniert das eben nicht“, sagt eine Mitarbeiterin der Bildungsbehörde. Das Ganze sei subtiler: Wer was werden wolle, müsse entweder einen "linken Stallgeruch" haben oder den vorauseilenden Gehorsam beherrschen: „Vermerke werden so geschrieben, wie man glaubt, dass die Spitze sie lesen will und nicht so, wie man es selbst für richtig halten würde“. So hoffe man, aufzusteigen. Das habe „in den letzten drei bis vier Jahren, also in Scheeres’ zweiter Legislatur „deutlich zugenommen – ein sich selbst entwickelndes System, wie ein Virus“.

Sie habe beobachtet, dass Scheeres’ Stab „immer größer wurde und sich immer mehr abschottet“. Menschen mit „Null Ahnung“ bekämen Verbindungsstellen: „Die Blase wird immer größer und alle sind per Du.“

„Es mag sein, dass man Leute nicht über das Parteibuch einstellt, aber man kennt bestimmte Leute durch die Partei“, beschreibt Jens Brückner, der als Anwalt mit der Behörde häufig zu tun hat, die Gepflogenheiten. Es entstünden durch die sozialen Kontakte bestimmte Netzwerke, „in denen man sich gewissermaßen erkennt, ohne nach dem Parteibuch fragen zu müssen“. Die Parteienkumpanei sei stärker in Berlin als anderswo, weil infolge der zwölf politisch zusammengesetzten Bezirksämter sehr viele gut dotierte politische Ämter zu vergeben seien.

„Berlin blüht nicht, Berlin bläht“, adaptiert der Jurist ein Bonmot des Berliner Kabarettisten Wolfgang Neuss. Anders als in einer wirtschaftlich starken Stadt wie Hamburg lade die Berliner Struktur mit der quantitativ dominierenden öffentlichen Verwaltung dazu ein, seine Versorgung dort zu sichern.

Nicht konkurrenzfähig bei der Bezahlung

Jürgen Zöllner selbst hat eine andere Erklärung dafür, dass in Berlin vieles – nicht nur die Schulverwaltung, wie er betont – nicht so funktioniert wie in anderen Bundesländern: „Ich bin der festen Überzeugung, dass die viel schlechtere Besoldung im Vergleich zu den Bundesbehörden die Leistungsfähigkeit der Berliner Verwaltung am stärksten beeinträchtigt. Dafür muss eine Lösung her“, findet Zöllner, einer der langjährigsten Landesminister der Republik.

Andere reden denn auch vom „Kannibalismus“ der Behörden: Die Landesbehörden raubten den Bezirken die besten Mitarbeiter, und die Bundesbehörden „bedienten“ sich in den Senatsverwaltungen. Eine solche Konstellation gebe es eben nur in der Hauptstadt, wo die attraktiven Bundesministerien und -ämter oftmals nur eine U-Bahn-Station von den Senatsbehörden entfernt lägen. Eine „Bestenauslese“ wie insbesondere in Bayern sei damit in Berlin nicht möglich. Im Gegenteil: Es bleibe oftmals „nur die zweite Wahl“.

[Was Schule macht: In unseren Leute-Newslettern berichten wir regelmäßig über die Bildungspolitik in den zwölf Berliner Bezirken. Zur kostenlosen Bestellung: leute.tagesspiegel.de]

Das Gefälle lasse sich auch nicht durch „Karrieresprünge“ kompensieren, bestätigt ein erfahrener Gewerkschafter: Die Personalräte blockierten Versuche, guten Mitarbeitern durch die Gewährung einer höheren Laufbahnstufe das Gehalt zu verschaffen, das sie im Nachbarland auch ohne Beförderung hätten.

"Aufgeblähte" Personalräte als Bremser?

Überhaupt – die Personalräte. Entscheider in der Verwaltung klagen, noch aufgeblähter als die Verwaltung seien die Personalräte: „Die Beschäftigtenvertretungen können die Arbeit nahezu total blockieren“, lautet die leidvolle Erwahrung eines ehemaligen Mitarbeiters, der als Gewerkschafter den Personalräten eigentlich positiv gegenübersteht.

Was in Berlin passiere, gehe aber „auf keine Kuhhaut“. Die Berliner Lehrergewerkschaft GEW habe einst durchgesetzt, dass sich die Zahl der Personalräte „nahezu verdoppelte“. Dieser Darstellung widerspricht allerdings Ilse Schaad, die frühere Vorsitzende des Personalrats Kreuzberg und Tarifexpertin der GEW. Die gefühlte "Verdoppelung" war demnach einzig der Wiedervereinigung geschuldet, entsprach also dem Zuwachs an Lehrkräften aus den östlichen Bezirken. Dass dies fälschlich als "Verdopplung" empfunden wurde, könnte damit zu tun haben, dass bei der Schulaufsicht gespart wurde, sodass die Relation nicht mehr stimmte, gibt ein ehemaliger Schulrat zu bedenken.

"Es fehlen klare Aufgaben und Ziele"

Dennoch könne man auch in Berlin viel bewegen, denn auch hier gelte, dass es vor allem auf die Menschen ankomme, ob etwas klappt. Dazu aber müsse es klare Ziele und Geschäftsprozesse geben sowie eine Aufgabenklarheit. Vorgeben könne das nur jemand, „der Verwaltung kann“. Das treffe aber weder auf Scheeres zu, noch habe es auf Rackles zugetroffen. Im Gegenteil: Beide hätten die Behörde 2013/14 so umstrukturiert, dass sie sich schließlich selbst blockierte - von der Digitalisierung bis hin zur beruflichen Bildung. Daher habe Rackles überall als „Feuerwehrmann“ einspringen müssen, anstatt die großen Linien verfolgen zu können.

Hier bei der Eröffnung der Sprachlernwerkstatt in der Moltke-Grundschule 2016. Doch sonst kam Mark Rackles oft als Feuerwehrmann.
Hier bei der Eröffnung der Sprachlernwerkstatt in der Moltke-Grundschule 2016. Doch sonst kam Mark Rackles oft als Feuerwehrmann.

© Mike Wolff

Ein Staatssekretär als Feuerwehrmann

Tatsächlich tauchte Rackles häufig in Schulen auf, wenn nichts mehr ging. Das sei nötig gewesen, weil weder die Verwaltung noch die Schulaufsicht funktioniere: Wer zu viele „Duckmäuser“ oder unfähige Schulleiter zu Schulräten mache, müsse sich nicht wundern, wenn Probleme überhand nähmen, heißt es mitleidlos von Gewerkschaftsseite.

Gern genanntes Beispiel: Rackles’ erfolglose Versuche, Schaden von der Johanna-Eck- Schule abzuwenden. Am Ende war die legendäre Schule gewissermaßen implodiert und musste mühsam neu zusammengesetzt werden. Ganz anders gelagert, aber ebenso komplett war das Versagen der Schulaufsicht im Falle der Staatlichen Ballettschule oder auch bei der Neuköllner Rütli-Schule, um nur die bekanntesten Fälle zu nennen: Als das Rütli-Brennpunktdesaster 2006 ruchbar wurde, war die SPD bereits zehn Jahre am Ruder.

Die zweithöchsten Schulausgaben pro Kopf

Aber nicht nur einzelne Schulen nehmen Schaden durch die mangelnde Qualität der Schulaufsicht. Vielmehr kommen die zentralen Ziele der Sozialdemokratie unter die Räder. Ob die Abkopplung des Schulerfolgs von der Herkunft oder die Förderung benachteiligter Kinder in Richtung auf ein selbstbestimmtes Leben jenseits von Hartz IV – beide Ziele wurden verfehlt, obwohl sie auf der Agenda ganz oben standen. Mehr noch: Sie wurden verfehlt, obwohl Berlin pro Schüler nach Hamburg die zweithöchste Summe aller Bundesländer ausgibt.

Scheeres holte den Rat von Erziehungswissenschaftler Köller (re.) und Staatssekretär a.D. Voges ein.
Scheeres holte den Rat von Erziehungswissenschaftler Köller (re.) und Staatssekretär a.D. Voges ein.

© Susanne Vieth-Entus

Das alles ist kein Geheimnis. Die bundesweiten Leistungsvergleiche belegen ebenso wie der jüngste Bericht einer von Scheeres berufenen Expertenkommission, dass in Berlins Schulverwaltung zu vieles dysfunktional ist – von der Fortbildung der Lehrer bis hin zum Aufbau der Behörde selbst. Besonders absurd: Der Leistungsgedanke geriet derart aus dem Fokus, dass Berlins Schulinspekteure den Schulen trotz niedrigster Schülerkompetenzen massenhaft hervorragende Zeugnisse ausstellten.

[Den vollständigen Bericht der Kommission können Sie hier herunterladen.]

Das habe mit der fehlenden Ziel- und Aufgabenklarheit und damit auch letztlich mit der Verwaltung zu tun, erläutert ein Mitglied der Expertenkommission. Wer immer nur „verkünde“, aber - anders als immer wieder versprochen - nie kontrolliere, ernte eben das entsprechende Ergebnis in einer Stadt, die ohnehin nicht auf Leistung ausgerichtet sei.

"Ein Mantra wie Mehltau"

Wie „Mehltau“ habe sich das unausgesprochene Mantra auf die Stadt gelegt, dass „keiner lernen darf, was nicht alle lernen“, ergänzt eine Bildungsexpertin aus dem grünen Spektrum. Sozialneid gepaart mit missionarischem Eifer präge die SPD-Schulpolitik mehr denn je – vor allem seit Beginn der rot-rot-grünen Koalition.

In der Folge würden Gymnasien und freie Schulen bekämpft – sogar jene freien Schulen, die sich gezielt um sozial schwache Schüler kümmern. Das Wort „Leistung“ sei so verpönt, dass selbst gute öffentliche Schulen wie die Friedenauer Friedrich-Bergius-Schule 2018 keine Gnade vor der Schulinspektion fand: Formalitäten wie die „Vernachlässigung des Schulprogramms“ wogen stärker als die Kompetenzen der Schüler. In diesem Punkt will Scheeres - unterstützt von der Expertenkommission - umsteuern.

[Seit 2011 an der Spitze: Warum Sandra Scheeres trotz aller Kritik immer noch Schulsenatorin ist, lesen Sie im Porträt von Julius Betschka bei Tagesspiegel Plus.]

Dass all diese "Fehlentwicklungen" derart verheerende Folgen hätten wie die leistungsmäßige Abkopplung eines Drittels der Schülerschaft, sei allerdings nicht nur durch das Verwaltungsversagen zu erklären, auch nicht nur durch fehlenden Leistungswillen und mitunter duckmäuserische Schulaufsichtsbeamte, sondern verweise zurück auf die Sparjahre unter dem Regierenden SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit, der seine Bildungssenatoren Böger und Zöllner den jeweiligen Finanzsenatoren regelrecht „zum Fraß vorgeworfen“ habe, erinnert eine inzwischen pensionierte Schulleiterin.

Der Lehrermangel bindet alle Kräfte

Durch den Wegfall der Lehrer-Verbeamtung unter Wowereit bei gleichzeitiger Verweigerung eines Einstellungskorridors für Pädagogen und Verwaltungsfachleute sowie durch das Kaputtsparen der Schulgebäude sei eine Bürde geschaffen worden, unter der nicht nur die Schulen litten, sondern jede Entwicklung bis heute blockiert werde. Anders ausgedrückt: Wer das ganze Land nach Lehrern durchkämmen muss, hat keinen freien Kopf mehr, um für die Digitalisierung zu kämpfen. Wer an 600 Schulen Sanierungen oder Neubauten koordinieren muss, hat keine Kapazitäten, den Breitbandausbau voranzutreiben.

Berliner? Pfannkuchen! So warb die Senatsverwaltung in Stuttgart und Düsseldorf um Lehrer.
Berliner? Pfannkuchen! So warb die Senatsverwaltung in Stuttgart und Düsseldorf um Lehrer.

© SenBJF/Promo

„Alles hängt mit allem zusammen und einfache Erklärungen für die schwache 25-Jahre-Bilanz gibt es nicht“, lautet die Antwort eines zerknirschten Sozialdemokraten. Auch das anschließende überwiegend sinnlose Verpulvern hunderter Millionen Euro durch Brennpunktprogramme im Auftrag der SPD-Fraktion sei letztlich nicht mehr als der Versuch, das übersteigerte Sparprogramm der Wowereit-Jahre vergessen zu machen.

Bayern kann's, Berlin nicht

Und was wurde nun aus der Berliner Pensionärin, die 2018 in der Bildungsverwaltung Anschluss suchte und keinen fand?

Sie bekam heraus, dass die „Service“-Stelle für neue Lehrer nur neun Stunden pro Woche besetzt war, richtete sich danach und wurde fündig. Ein damals – spaßeshalber vom Tagesspiegel – getätigter Vergleichsanruf in Bayern war übrigens beim ersten Versuch erfolgreich, obwohl das Land damals kaum neue Lehrer brauchte. „Die Servicestellen sind täglich geöffnet“, hieß es. Die freundliche Dame am Telefon fand das normal.

Das waren die Bildungssenatoren der vergangenen 25 Jahre

Sandra Scheeres (SPD), Berlins Bildungssenatorin, gerät immer mehr unter Rechtfertigungsdruck.
Sandra Scheeres (SPD), Berlins Bildungssenatorin, gerät immer mehr unter Rechtfertigungsdruck.

© dpa/Gregor Fischer

Nach den CDU-Senatoren Hanna-Renate Laurien und Jürgen Klemann sowie der Grünen Sybille Volkholz kam am 25. Januar 1996 mit

  • Ingrid Stahmer wieder die SPD an die Spitze der Bildungsverwaltung. Ihre glanzlose Amtszeit ohne größere Reformen war geprägt von Sparvorgaben. Junge Lehrer mussten das Land verlassen, weil kaum Stellen besetzt wurden.
  • Die Legislaturen 1999 bis 2006 waren vom Druck geprägt, der durch die Pisa-Studie entstanden war. Der zuvor als SPD-Fraktionschef mächtige Klaus Böger musste nicht nur darauf Antworten finden, sondern seit 2002 zugleich das Spardiktat unter dem Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) aushalten: Die Bauunterhaltung der Schulen wurde zurückgefahren, die Lehrergehälter überdurchschnittlich gekürzt. Dennoch setzte Böger eine große Grundschulreform durch. Die Früheinschulung und die zwangsweise Verordnung des jahrgangsübergreifenden Lernens wurden später zurückgenommen. Dagegen hatte die verlässliche Betreuung der Grundschüler bis 13.30 Uhr Bestand, der Ausbau des Ganztagsbetriebs kam voran. Dass Böger im Rahmen seiner Grundschulreform die Vorklassen abschaffte, wird von vielen Fachleuten noch heute bedauert. Der Rütli-Schock von 2006 erschwerte Böger auch noch das letzte Amtsjahr und er musste seinen Platz für
  • Jürgen Zöllner (2006 bis 2011) räumen, den langjährigen Superminister aus Rheinland-Pfalz, der auch lange Zeit Sprecher der SPD-Länder in der Kultusministerkonferenz war. Auch er wurde zum Sparen verurteilt. Dennoch bewältigte er die Sekundarschulreform mit der Abschaffung der Hauptschulen, führte Berlin also zu einem zweigliedrigen Schulsystem. Überdies setzte er zugunsten der Eltern durch, dass Schulleistungsdaten wie die Abschlussergebnisse und auch die Schulinspektionsberichte veröffentlicht werden. Da die Pensionierungswelle anhob und daher mehr Lehrer gebraucht wurden, wollte Zöllner die Wiederverbeamtung der Lehrer durchsetzen. Wowereit folgte dem nicht. Unter Zöllner wurde das Wissenschaftsressort mit dem Schulressort vereinigt. Dann folgte
  • Sandra Scheeres, die 2016 sogar eine zweite Amtszeit antreten konnte. Ihr gelang es, die Inklusion entscheidend voranzubringen, nicht aber die Bekämpfung des Lehrermangels. Ihr Haus koordiniert auch die Schulbauoffensive: Da die Berliner Schulen unter den Einsparungen der Wowereit/Sarrazin-Ära besonders gelitten hatten, setzte die Berliner SPD ein Milliarden-Programm für den Schulbau auf.

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