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Russisch-orthodoxe Christen feiern erst am 6. Januar Heiligabend.

© Tsp

Heiligabend am 6. Januar: Ja, ist denn heut' erst Weihnachten?

In den sechs russisch-orthodoxen Gemeinden wird etwas später gefeiert. Für einige Berliner endet damit eine 40-tägige Fastenzeit.

Es riecht nach Weihrauch. Der Boden ist mit rot-grau gemusterten Teppichen ausgelegt. Vorne, am Altar, steht der Priester, er hält die Hände angewinkelt in die Höhe und betet auf Russisch. Neben ihm steht eine Krippe auf einem roten Tuch aus Samt. Darin stehen viele kleine Figuren: Schafe, Hirten, Ochs und Esel. Der Altarraum der Christi-Auferstehungskathedrale ist mit zwei Weihnachtsbäumen geschmückt.

Etwa 50 Menschen sind in die Kirche am Hohenzollerndamm gekommen: Frauen mit Kopftuch oder Mütze, Männer und Kinder – sie alle scheinen auf etwas zu warten, denn ihnen steht das Weihnachtsfest noch bevor. Die russisch-orthodoxe Gemeinde in Berlin-Wilmersdorf feiert, so wie alle anderen russisch-orthodox Gläubigen, Weihnachten am 6. und 7. Januar.

Sechs russisch-orthodoxe Gemeinden in Berlin

Der Grund: Die russisch- und die serbisch-orthodoxe Kirchen berechnen das Fest, anders als alle anderen Christen, nach einem älteren Kalender, dem Julianischen. Sie feiern die Geburt Jesu somit 13 Tage später. Auch Priester Evgeny Murzin ist am Tag vor dem Fest in die Kirche gekommen. Der Moskauer lebt mit seiner Familie seit eineinhalb Jahren in Berlin. "Besonders wichtig an Weihnachten ist für mich der Gottesdienst", sagt der 38-jährige Priester. In seiner Gemeinde in Marzahn wird er die Predigt halten.

Nach Angaben der Botschaft leben rund 300 000 Menschen russischer Herkunft in der Hauptstadtregion. Die Hälfte von ihnen ist russisch-orthodox gläubig, schätzt Murzin. Und von diesen kommen ungefähr 1000 Gläubige regelmäßig in die Kirche. In Berlin gibt es sechs russisch-orthodoxe Gemeinden. Die größte ist die in Charlottenburg-Wilmersdorf, zu der auch die Christi-Auferstehungskathedrale gehört. Dort findet am Freitag auch die große Weihnachtsmesse mit Erzbischof Feofan statt.

Durch Fasten sollen Körper und Seele gereinigt werden

"Sotschelnik" – so wird Heiligabend bei den Russisch-Orthodoxen genannt. Der Name kommt von dem Gericht "Sotschiwo", das aus Reis und Trockenfrüchten besteht, ein schlichtes Essen. Denn ausgerechnet die Weihnachtszeit ist in der russisch-orthodoxen Kirche auch Fastenzeit. 40 Tage vor Weihnachten beginnen die Gläubigen auf Fleisch, Milchprodukte und Eier zu verzichten. Fisch ist nur am Wochenende erlaubt. "Damit wollen wir unsere Körper und unsere Seele reinigen und uns so auf Christus vorbereiten", erklärt der Marzahner Priester Evgeny Murzin.

Erst nach einem festlichen, vierstündigen Gottesdienst am 6. Januar darf kräftig zugelangt werden. "Wenn er gegen zwei Uhr in der Nacht vorbei ist, gibt es in der Kirche einen großen Festtisch mit all den Dingen, die wir während der Fastenzeit nicht essen durften."

Priester Evgeny Murzin bei der Göttlichen Liturgie zu Christi Geburt in der Russisch-Orthodoxen Auferstehungskathedrale.
Priester Evgeny Murzin bei der Göttlichen Liturgie zu Christi Geburt in der Russisch-Orthodoxen Auferstehungskathedrale.

© Thilo Rückeis

Am ersten Weihnachtstag dann, am Samstag, ist es Brauch, Verwandte und Freunde zu sich einzuladen und gemeinsam zu essen. Klar, auch bei auch Irina Lesova steht dann ein Weihnachtsbaum im Wohnzimmer. Gemeinsam mit ihrer Familie hat sie ihn am 30. Dezember aufgestellt, rechtzeitig zu Silvester.

Denn im russisch-orthodoxen Glauben vermischen sich die Bräuche von Weihnachtsfest und Jahreswechsel – ein Überbleibsel aus Sowjetzeiten. Die kommunistische Regierung hatte alle kirchlichen Feste verboten. Um für die Bevölkerung einen annehmbaren, nicht-christlichen Ersatz zu schaffen, verlegte sie viele Weihnachtstraditionen und Bräuche auf Silvester und wandelte sie etwas ab. Daher gibt es auch immer noch den Silvesterbaum und "Väterchen Frost", der schon mal den Großteil der Geschenke bringt. "Auch wenn wir an Silvester feiern, ist keiner besonders ausgelassen", sagt Lesova, die vor 43 Jahren auf der Krim geboren wurde und seit 15 Jahren in Deutschland lebt. "Schließlich ist noch Fastenzeit."

Auch an Silvester gibt es Geschenke

Ein Höhepunkt für ihre Kinder sei der Kirchenbesuch am Morgen des 7. Januars. Dann bekommen ihre beiden drei und fünf Jahre alten Töchter von anderen Gemeindemitgliedern und Besuchern Süßigkeiten, alle singen und tanzen gemeinsam. "Wir sind dann glücklich und froh, weil wir das Fasten durchgehalten haben", erzählt Irina Lesova. Einen Adventskalender haben ihre Kinder nicht. "Aber wir machen bis Weihnachten Kreuze im Kalender", fügt Irina Lesova mit einem Lachen hinzu.

Erzpriester Georgiy Antoniuk von der Christi-Auferstehungskathedrale verteilt bereits am Tag vor Heiligabend die Hostien für die Kommunion. "Für mich bedeutet Weihnachten auch Gemeinschaft und Einigkeit. Wir sollten besonders füreinander da sein und unserem Nächsten etwas Gutes tun", sagt Evgeny Murzin mit Blick auf den Alter und die Christbäume. Draußen auf dem Rasen vor der weißen Kirche liegt mittlerweile eine dünne Schneedecke – Weihnachten kann also kommen.

Ronja Straub

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