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Berlin: Heinz Eckert (Geb. 1919)

Auch ohne Uniform verkörperte er die Würde seines Amtes

Immer ein weißes Oberhemd, frisch gewaschen und gebügelt, auch als er längst außer Diensten war. Auch noch, als er allein lebte und jedes Jahr in Spanien überwinterte. Die Haare frisch gekämmt, rasiert, das strahlend weiße Hemd zum gebräunten Gesicht, darüber ein dunkelblauer Blazer, weiße Hose, weiße Schuhe. Der Auftritt eines älteren Herrn mit Charme und Geschmack. Repräsentativ. Er galt bei den Damen als einfühlsamer Zuhörer. Heinz Eckert, Polizeihauptkommissar a. D., verkörperte auch ohne Uniform die Würde seines Amtes und den Staat, dem er sein Leben gewidmet hatte.

Der deutsche Beamte tritt in den Staatsdienst ein wie der Priester in den Dienst der Kirche. Eine Verbindung fürs Leben, mit Treueschwur versehen, in guten wie in schlechten Zeiten. Der Dienst war so unverrückbar wie seine Ehe mit Martha. Und Heinz diente gerne. Eintritt in die Berliner Schutzpolizei 1947. Zuletzt leitete er die Wachpolizei, Abteilung West, mit mehr als 300 Angestellten. Seine Tochter ging auf seine Empfehlung hin auch zur Polizei.

Dass während seiner vielen Dienstjahre Außergewöhnliches passierte, liegt nahe, ist aber nicht bekannt. Erzählt hat er nur, dass das Haus vom Regierenden Bürgermeister Willy Brandt in seinen Zuständigkeitsbereich fiel. Aber auch dort sind keine besonderen Vorkommnisse überliefert. Er stand schließlich nicht selbst draußen, sondern kümmerte sich am Schreibtisch um das Organisatorische, um Dienstpläne, Protokolle und Personalien. Alles wurde von ihm gelesen, abgezeichnet und abgelegt. Da war er mehr als pingelig.

Loyalität und Pflichtbewusstsein hatte er im Krieg gelernt. Zunächst kam er nach Italien, abkommandiert zum Seenotrettungsdienst Mittelmeer auf Sizilien als Bordmechaniker. Die Seenotrettungsflugzeuge holten abgeschossene Piloten aus dem Wasser, egal, ob Freund oder Feind. Eine ehrenvolle Sache und vergleichsweise ungefährlich. Gegen Kriegsende wurde es brenzlig. Heinz war als Kradfahrer für den Essensnachschub zuständig. In der Eifel, als die Amerikaner vorrückten, geriet er auf offener Straße in ihr Geschützfeuer. Er hatte eigentlich keine Chance, aber die US-Soldaten erkannten offenbar, dass er nur Essen holte. Sie schossen immer um ihn herum, durchlöcherten die Suppenkübel, aber nicht seine Uniform.

In Gefangenschaft meldete er sich sofort, als die Aufseher nach einem Koch fragten. Kochen konnte er nicht, aber sein Instinkt riet ihm, die Gelegenheit zu nutzen. Bald leitete er die Offiziersküche. Die GIs hätten ihn auch nach Amerika mitgenommen, so einen beflissenen Küchenchef hatten sie noch nie, aber Heinz wollte lieber nach Hause, zurück nach Berlin. Als er entlassen wurde, stopfte er sich die Stiefel voller Schokolade und verteilte sie an die Kinder im Zug. Dass sie zu Hause auch hungern würden, seine Mutter und die beiden Brüder, ahnte er nicht.

Der Vater, Reichsbahnbeamter, war früh gestorben, seitdem lebten sie von seiner Pension. Die Sparsamkeit wurde Heinz zum Bedürfnis, auch viel später noch, als das Geld nicht mehr knapp war. Weil er Maler, Stuckateur und Vergolder gelernt hatte, noch vor dem Krieg, renovierte und reparierte er zu Hause alles selbst. Der Weihnachtsbaum wurde erst am Morgen des 24. gekauft. Weil die Qualität manchmal dem geringen Preis entsprach, dauerte das Herrichten dann etwas länger.

Was zu tun war, erledigte er mit Akribie und Gleichmut. Kein Nörgeln und Schimpfen über die widrigen Umstände und das schwere Los des Alterns. Martha, seine Frau, wurde ein Pflegefall, da fing Heinz eben wieder an zu kochen und zu waschen und sich um all das zu kümmern, was zuvor in Marthas Dienstbereich gefallen war.

Am Ende brauchte er selber Pflege, ging ins Heim und mühte sich, den Betreuerinnen nicht zur Last zu fallen. Eines Abends schlief er ein und wachte nicht mehr auf. Es war der zweite Weihnachtsfeiertag. Thomas Loy

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