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Hertha-Fans

© Uwe Steinert

Hertha-Fans: Ein Wintermärchen

Hertha-Fans feierten nach dem Fußballwunder - für einen Autokorso reichte die Freude noch nicht. Das liegt auch daran, dass das selbstverständliche Selbstbewusstsein der Bayern-Fans den Herthanern so fremd ist, dass es fast schon wehtut.

Von Sandra Dassler

Punkt 17.20 Uhr, gleich nach dem Abpfiff, stiegen in Kreuzberg die ersten Raketen auf. Herthaner, die zu Hause oder im Auto das Spiel verfolgt hatten, hupten oder winkten von den Balkonen. Und zehntausende blau-weiße Fans feierten auf dem Heimweg vom Stadion in den Bahnen ihre Siegespartys. „Wir sind Spitzenreiter, Spitzenreiter!“ sangen sie in den Waggons. Auf dieses Wunder hatten viele Jahr um Jahr gewartet, dass Hertha BSC sich wieder an die Tabellenspitze der Bundesliga vorkämpft. Und nun war endlich alles klar: 2:1 gegen den FC Bayern nach einer Zitterpartie im Olympiastadion.

Auch der Regierende Klaus Wowereit (SPD) jubelte: „Jetzt hat Hertha auch die Chance, um die deutsche Meisterschaft mitzuspielen.“ Hertha gegen Bayern, das seien schon immer seine Lieblingsspiele gewesen. „Aber diesmal hat es besonders viel Spaß gemacht.“ Sprach’s, und eilte vom Stadion zur Berlinale.

Für einen Autokorso auf dem Ku’damm reichte die Begeisterung aber dann doch nicht aus. Überhaupt sind Hertha-Fans doch etwas zurückhaltender als die Clubanhänger anderer Städte. Das zeigte sich schon vor dem Spiel in der Stadt.

Auch wenn sich gestern viele Fans schon morgens auf dem Weg zum Bäcker den blau-weißen Schal umbanden – das selbstverständliche Selbstbewusstsein der Bayern-Fans, die aus ganz Deutschland in die Hauptstadt kamen, ist den Herthanern so fremd, dass es fast schon wehtut. Am Hauptbahnhof klangen die Berliner „Spitzenreiter“-Rufe noch etwas zaghaft. „Wenn wir verlieren, sind wir immer noch auf Platz drei“, winkte ein 32-Jähriger aus Wedding ab.

Vielleicht liegt die so ganz und gar Berlin untypische Tiefstapelei ja auch daran, dass die Stadt einfach viel mehr zu bieten hat als nur Fußball. Selbst vor dem Spitzenspiel im Olympiastadion fielen die blau-weißen und rot-weißen Fahnen zwar in den S- und U-Bahnen auf, aber schon am Breitscheidplatz dominierten wieder andere Farben wie das Rot der Berlinale-Plakate.

Selbst im gleich daneben gelegenen Hertha-Fanshop schüttelte man den Kopf: Nein, man habe nicht mehr Fahnen oder Trikots verkauft als sonst. Alles ging vor dem historischen Sieg seinen normalen Gang. Erst nach dem 1:0 von Woronin platzte der Knoten der Hertha-Fans. Sie sangen nicht nur völlig ungeniert: „Spitzenreiter, Spitzenreiter“, sondern auch: „Hertha wird deutscher Meister“. Der Optimismus im Hinblick auf die nächsten Bundesliga-Spiele bis zum Finale Ende Mai ist gestiegen, in den offiziellen Fan-Treffs wie „Kindl am Kreuzberg“ oder der „Zwitscherklause“ in Spandau wurde abends kräftig angestoßen. Spätestens nach dem erhofften Bundesliga-Sieg gibt es dann vielleicht auch endlich einen Autokorso auf dem Ku’damm. Für Hertha. Sandra Dassler

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