zum Hauptinhalt
Der Weihnachtsmarkt wird dieses Jahr mit Pollern und Stahlgittern geschützt.

© RubyImages/F. Boillot

Hinter Barrieren: Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche eröffnet

Der Markt begann am Montagmorgen mit einem Gottesdienst: Zwischen den Buden am Breitscheidplatz herrscht gelassene Stimmung.

Die Kälte beißt, und außer ein wenig Schnee fehlt eigentlich nichts zur Glühweinstimmung an diesem trüben Vormittag am Breitscheidplatz. Doch die gute Sitte des Weihnachtsmarkts rund um die Gedächtniskirche will es, dass drinnen der Pfarrer das Wort hat, bevor die Buden draußen geöffnet werden dürfen. Martin Germer hat sich für seine Andacht vor etwa 50 Standbetreibern für eine heiter-gelassene Tonlage entschieden. Er erläutert, wie sorgsam die Menschen früher im Winter mit den Erträgen ihrer Felder umgehen mussten, und weshalb Prasserei zwar unmöglich, ein wenig Genuss im Advent aber erlaubt war. Deshalb sei es auch ganz selbstverständlich, dass der Weihnachtsmarkt nun das fröhliche Ende des von Besinnung geprägten Novembers bilde. Mit einer Fürbitte für die Opfer des Terroranschlags vor zwei Jahren beendet Germer die Andacht.

Draußen um 10.30 Uhr gehen dann viele, aber längst noch nicht alle Rollläden hoch. Es ist die Zeit der Sackkarren und kleinen Gabelstapler, die Paletten und Kisten mit Nüssen, Getränken und anderen Basisprodukten eines Weihnachtsmarkts über den Platz bewegen, die Stimmung ist professionell abgeklärt, von Routine geprägt.

Auch Polizisten sollen das Sicherheitsgefühl auf dem Breitscheidplatz stärken.
Auch Polizisten sollen das Sicherheitsgefühl auf dem Breitscheidplatz stärken.

© Fabrizio Bensch/Reuters

„Hier fühle ich mich absolut sicher“

Dabei ist unmöglich zu übersehen, welche Folgen der Anschlag erzwungen hat. Viel massiver als noch im vergangenen Jahr fällt die Leistungsschau der Sicherheitsindustrie aus, hinter den bekannten Betonsperren ist ein mit Sandsäcken aufgefüllter Drahtwall errichtet worden, und die Durchgänge sind zudem mit Pollern gesichert, die den sinnigen Namen „Truckbloc“ tragen und einen zügig anrollenden Laster in einen Haufen Schrott verwandeln sollen, bevor Passanten dahinter zu Schaden kommen können.

Doch verdirbt das offensive Sicherheitskonzept den Besuchern die Stimmung? Als ein paar Stunden später um die Mittagszeit die Bratwürste überm Grillfeuer schrumpeln, sieht es ganz und gar nicht danach aus. „Hier fühle ich mich absolut sicher“, sagt ein Besucher. Und ein Wurstverkäufer gesteht zwar zu, dass der Anschlag natürlich immer präsent sei bei der Arbeit, „aber dann dürfte man ja auch nicht mehr fliegen“. Der äußere Eindruck ist eindeutig: Hier verhalten sich die Besucher nicht anders als auf Weihnachtsmärkten, die schlechter gesichert sind.

Vorbild des Weihnachtsmarkts am Gendarmenmarkt hat gewirkt

Paradoxerweise scheint es, als sei der Zugang zum Markt zu Fuß sogar einfacher als früher, weil der Verkehr durch die massiven Einschränkungen langsamer, übersichtlicher und mit mehr Abstand am Gelände vorbeifließt, ferngehalten durch den breiten Streifen zwischen den Barrieren. Drinnen auf dem Gelände setzt sich der Trend zum Häuslebauen fort, die Besucher sollen nicht zu lange frierend von Stand zu Stand gehen, sondern sich auch in wackligen, gut geheizten Pop-up-Restaurants aufwärmen und in aller Ruhe satt essen können; das Vorbild des Weihnachtsmarkts am Gendarmenmarkt hat sichtbar gewirkt. Wenn dabei eine Art Biergartenstimmung aufkommt, wird das von den Gastronomen sicher geschätzt. Die nötige Weihnachtsstimmung lässt sich notfalls per Musikauswahl steuern.

Wer allerdings allergisch ist gegen das einschlägige Hit-Programm von Sinatra bis Beyoncé, der sollte sich vielleicht doch lieber einen anderen Weihnachtsmarkt suchen. Auch wenn der weniger streng gesichert ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false