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Berlin: Hinter den Kulissen: Pieksereien im Plenarsaal

Die EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer muss den Lärm im Abgeordnetenhaus bis Brüssel gehört haben. Wenn schon bei der Suche nach Schuldigen an der Affäre um die 1993 gegründete Bankgesellschaft auch die riskante Konstruktion zur Sprache kommt, die Verknüpfung von öffentlich-rechtlichen und privaten Banken, nimmt der Regierende Bürgermeister selbst die frühere Oppositionsabgeordnete Schreyer (Grüne) in Haftung.

Die EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer muss den Lärm im Abgeordnetenhaus bis Brüssel gehört haben. Wenn schon bei der Suche nach Schuldigen an der Affäre um die 1993 gegründete Bankgesellschaft auch die riskante Konstruktion zur Sprache kommt, die Verknüpfung von öffentlich-rechtlichen und privaten Banken, nimmt der Regierende Bürgermeister selbst die frühere Oppositionsabgeordnete Schreyer (Grüne) in Haftung. "Auch sie hat damals diese Kombination gut geheißen", sprach Eberhard Diepgen. Da brach ein Sturm der Entrüstung los. Anka-Sibyll Klotz (Grüne) und Harald Wolf (PDS) widersprachen erregt und zitierten aus einem Plenarprotokoll, wonach Frau Schreyer im Gegenteil gewarnt hat. Was nun die Ahnungslosigkeit der Aufsichtsräte betrifft, war Diepgen fix bei Ex-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing und Edzard Reuter (beide SPD).

In der Wandelhalle vor dem Plenarsaal waren die Fraktionschefs Frank Steffel (CDU) und Klaus Wowereit (SPD) die dicht von der Presse umlagerten Stars. Alle zehn Schritte mussten sie stehen bleiben, weil ihnen ein Mikrofon unter die Nase gehalten wurde. Wowereit gab sich amüsiert, Steffel strahlend. So versäumte der neue CDU-Hauptmann glatt den Anfang von Diepgens Regierungserklärung. Wäre dem alten CDU-Tempelwächter nie passiert. Diesmal aber war er vorsichtshalber nicht da. Die Grünen-Pfeile auf Diepgen ("Konkursverschlepper") schossen CDU-Zwischenrufer auf PDS-Fraktionschef Wolf zurück: "Reden Sie mal über die Schulden der DDR!" Steffel wiederum piekte gegen Strieder, und Wowereit piekte gegen Steffel, dessen Rede ihm zu sehr nach Landowsky klang: "Vielleicht sollten Sie mal den Redenschreiber auswechseln."

Was heißt überhaupt Verantwortung? Wir haben von Diepgen gelernt, dass der Senat die Verantwortung fürs Aufräumen und Sanieren der Bankgesellschaft übernimmt, aber nicht für den Schmuddelkram. Und geteiltes Leid ist halbes Leid. Matthias Wambach, Landesgeschäftsführer und Pressesprecher der CDU, weiß es seit Tagen: "Wir lassen uns doch von der SPD nicht allein die Verantwortung dafür an die Backe kleben." Es fuchste ihn nämlich, als er schwarz auf weiß im SPD-Beschluss las, wer die "Hauptverantwortung" trägt: Klaus Landowsky, der gewesene Chef der Konzerntochter Berlin Hyp.

Zum großen Ratschlag traten Dienstagabend erst der Landesvorstand und die Fraktion der SPD, dann der CDU-Landesvorstand zusammen. SPD-Chef Peter Strieder hatte die Gerüchte gehört, dass Landowsky seine neue Rolle als Stellvertreter von CDU-Chef Diepgen wieder aufgeben würde. "Mal sehen, ob Landowsky heute Abend noch zurücktritt", rief er seinen Genossen zu. Zwischenruf von Klaus Wowereit, der es offenbar aus CDU-Kreisen besser wusste. "Landowsky bleibt!" Darauf Strieder trocken: "Dann bleibt uns auch ein Thema!" Fehlt nur noch, dass er sich bei der Union bedankt.

Riecht es erst brenzelig, ist schnell Feuer unterm Dach. Selbst im CDU-Vorstand fiel das Wort Neuwahlen, wie sich Matthias Wambach erinnert. Und im Fernsehen meinte CDU-Fraktionsgeschäftsführer Alexander Kaczmarek: "Wir haben keine Angst vor Neuwahlen." Warum nicht? "Nein", sagt Herr Wambach: "Die Bankenkrise ist keine CDU-Krise, und die CDU hat nicht abgewirtschaftet, wir stehen voll im Saft."

Und was sagt die SPD? Bisher droht sie nur mit der Koalitionsfrage, falls die CDU bei der Lösung der Finanzkrise nicht spurt. Das ist so eine Art Junktim. "Damit rede ich jetzt nicht über Neuwahlen", sagt die Sphinx namens Wowereit. Wenn nun aber das seltsame Dreier-Bündnis von FDP, PDS und Grünen anfängt, Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln, muss Schaukelpolitiker Wowereit noch ganz schön knobeln, wie er so oder so die Kurve kriegt. Der Abgeordnete Hans-Georg Lorenz machte in der SPD-Sitzung seiner zerrissenen Seele Luft: Er war nicht für die Große Koalition und ist nicht für Neuwahlen, jetzt nicht. Feurig meinte er: "Wir müssen die Empörung in der Stadt aufnehmen und artikulieren, die Schuldigen benennen. Meine Frau..." Weiter kam er nicht vor lauter Gelächter ringsum. Irritiert fuhr er fort: "Sie hat einen höheren Intelligenzquotienten als ihr Mann." Dabei sollte doch Frau Lorenz nur seine Kronzeugin für Volkes Stimme sein.

Trotz allem gibt es noch kollegiale bis warmherzige Regungen in dieser Koalition. In der Staatssekretärskonferenz ließ Kollege Kollege Gerd Wartenberg letzten Montag für Blumen sammeln und schrieb auch ein Kärtchen mit Grüßen zur glücklichen Genesung - alles für Volker Kähne, Diepgens Chef der Senatskanzlei, der nach Pfingsten noch früh genug wieder an den Aufregungen teilhaben wird. Streng nach der Kleiderordnung leitete Wartenberg (SPD) die "Stakoz" als "dienstältester Anwesender". Er wunderte sich selbst mit seinen sechs Amtsjahren, wie schnell man Dienstältester sein kann.

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