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Aus historischem Boden. Auf der Baustelle am Schlossplatz liegen die bereits aus dem Boden gezogenen Eichenpfähle. Das Holz ist rund 300 Jahre alt und könnte nach einer Spezialbehandlung zu Möbeln aufbereitet werden.

© Clemens Bilan/dapd

Hölzernes Fundament: Schachern um den Schatz vom Schlossgrund

Rund 3000 Holzpfähle haben die Jahrhunderte in der Erde überdauert. Der Fund gehört jetzt einer Recyclingfirma – sehr zum Bedauern der Spendensammler. Damit ließe sich vielleicht viel Geld einwerben.

Ein Holzfußboden aus dem Stadtschloss? So was weckt Begehrlichkeiten. Nach einem Schreibtisch aus original preußischer Schlosseiche beispielsweise. Wilhelm von Boddien, oberster Schlossförderer und Spendensammler, sieht schon die Werbekampagne vor seinem inneren Auge. Der Spendentopf für die Fassade des neuen Humboldt-Forums würde sich weiter füllen. Derzeit sind rund 23 Millionen Euro eingesammelt, die Zielmarke liegt bei 80 Millionen Euro.

An Holz aus dem Stadtschloss hatte bisher niemand gedacht. Längst verrottet, verfeuert oder in irgendwelchen Profanbauten versteckt. Doch in der Erde unter dem Schloss überdauerte das Fundament aus rund 3000 Eichen- und Kiefernpfählen und einem darüberliegenden Gitter aus Holzbalken. Ein Schatz, der jetzt gehoben wird, um Platz für ein modernes Fundament aus Beton zu schaffen. „Das Holz ist in einem erstklassigen Zustand“, heißt es bei der Firma Züblin Spezialtiefbau, die mit den Gründungsarbeiten betraut ist.

Doch wem gehört der Schatz? Auf jeden Fall nicht Boddien und seinem Förderverein Berliner Schloss. Auch nicht dem Bauherren, der Stiftung Humboldtforum. „Das Holz geht automatisch in den Besitz der Firma, die mit den Erd- und Schachtarbeiten betraut ist“, sagt Manfred Rettig, Chef der Stiftung Berliner Schloss. Also Züblin, doch die hat den Auftragspassus „Ziehen und Verwerten der Pfahlgründung“ an die Berliner Entsorgungsfirma „RWG 1 Baustoffrecycling“ weitergereicht. „Das Holz gehört uns“, sagte gestern ein Firmenvertreter.

Hat da womöglich die Stiftung einen Schatz leichtsinnig aus der Hand gegeben? Stiftungschef Rettig weist das zurück. „Bei solchen Ausschreibungen ist es üblich, dass der Aushub in den Besitz der Firma übergeht. Das wird mit einkalkuliert. Es ist also kein wirtschaftlicher Schaden entstanden.“ Dass jede Menge Holz im Boden steckte, sei durch Probebohrungen bekannt gewesen. Im Übrigen sei „in höchstem Maße spekulativ“, ob das völlig durchnässte Holz eine Weiterverarbeitung zu Fußböden, Frühstücksbrettchen oder Mobiliar mit Herkunftsnachweis Hohenzollernresidenz überhaupt zulasse.

Die Holzpfähle gelten grundsätzlich als Bodendenkmal, das an Ort und Stelle zu erhalten ist. Doch der Neubau des Humboldtforums kann nicht auf den alten Pfählen ruhen, also müssen sie herausgezogen werden. Die Denkmalschützer haben sich nur ein paar Referenzpfähle gesichert, um sie archäologisch zu untersuchen. Im Südosten der Baustelle bleiben die alten Pfähle im Boden stecken, weil auch die Gewölbekeller des Schlosses dort noch erhalten sind. Zwischen den Pfählen werden neue Betonpfeiler gegossen, um die Statik zu gewährleisten.

Schon in zehn Tagen könnten die 3000 Pfähle gezogen sein. Das geht ratzbatz. Die Hölzer landen zunächst auf einem Lagerplatz der Recyclingfirma RWG1 in Spandau. Anschließend würde der Schacher um das Schlossholz beginnen. Einige Privatleute hätten schon angerufen und Interesse an den Pfählen angemeldet, heißt es bei RGW1. Boddien hat auch großes Interesse, aber das Holz wird er nicht kostenlos bekommen.

Boddien fahndet bereits nach einem Sägewerk, das bereit wäre, die Pfähle zu verarbeiten. „Das Holz ist sehr sandhaltig. Das muss man erst mal aus den Fugen herauskriegen, damit die Säge nicht stumpf wird.“ Anschließend müsste das nasse Holz so getrocknet werden, dass es nicht reißt. Ein Holzfachmann habe ihm aber zugesichert, Holz aus morastigen Böden sei „wunderbar“ und könne nach der Verarbeitung einen bernsteinfarbenen Ton annehmen.

Boddien denkt auch darüber nach, mit dem Holz einen Raum im Humboldt-Forum zu gestalten. Oder Schlosspaneele für ein Restaurant zu fertigen. Auf jeden Fall lasse sich das Schlossholz vielfältiger vermarkten als die Ziegelsteine aus dem Stadtschloss, die noch erhalten sind.

Was das Holz einbringen wird, darüber mag niemand spekulieren. Boddien erinnert an die Schlossplane, die in den 90er Jahren Lust machen sollte auf einen Wiederaufbau. Nach Abriss der Fassadensimulation wurde die Plane zerstückelt und gegen Spenden abgegeben. Das spülte immerhin eine halbe Million Mark in den Spendentopf.

Das neue Schloss kostet nach derzeitigem Stand 590 Millionen Euro. Die 80 Millionen Euro für die Fassade werden nach Einschätzung von Boddiens erreicht. Je weiter die Bauarbeiten fortschreiten, desto breiter werde der Spendenfluss, ist sein Credo. Schlossholz könnte dabei den wichtigen Anreizfaktor Authentizität ins Spiel bringen.

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