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Berlin: Holz aus Afrika soll Berliner wärmen

Vattenfall plant Import riesiger Mengen Biomasse aus Liberia Kritiker fürchten, dass die eigene Klimabilanz auf Kosten anderer geschönt wird

Die Ansage war spektakulär: Im März 2010 kündigte Vattenfall an, Berlin zum weltweiten Spitzenreiter bei der Energieversorgung mit Biomasse aus Holzhackschnitzeln zu machen. Knapp ein Jahr danach zeichnet sich ab, dass ein Großteil davon aus Westafrika kommen könnte: knapp eine Million Tonnen jährlich wären in Liberia zu bekommen – und das 30 Jahre lang. So steht es zumindest im Entwurf einer von Vattenfall und der Umweltverwaltung des Senats bestellten Studie, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Für Vattenfall zeigt dieses Ergebnis, dass die Beschaffung derart großer Mengen zumindest prinzipiell möglich ist. Der Konzern rechnet mit etwa 1,3 Millionen Tonnen Holzschnitzeln, die er 2020 in seinen Berliner Kraftwerken verfeuern will: in reinen Biomasse-Anlagen am Standort Klingenberg und im Märkischen Viertel sowie als Zugabe zur Kohle in den Kraftwerken Reuter und Moabit. Zur Veranschaulichung: Die Menge entspricht rund 100 Lastwagen pro Tag für den Nachschub. Aus dem Berliner Umland wären solche Mengen auf Dauer bei Weitem nicht zu bekommen.

Doch in der vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) verfassten Studie steht auch manches, was Umweltverbände und Landespolitiker beunruhigen dürfte. Bei den Grünen schwelt schon seit Wochen eine Diskussion darüber, ob Biomasse als klimaschonendere Alternative zu Kohle, Erdgas und Öl per se für gut befunden wird oder ob sie eigentlich nur dazu taugt, einen energieverschwenderischen Lebensstil grün anzustreichen. Im Entwurf für die Formulierung des Wahlprogramms hat sich der Mainstream durchgesetzt, der Biomasse als geeignete Übergangslösung ansieht. Kritiker finden diesen Ansatz falsch und würden bei Regierungsbeteiligung lieber aktiv die Einsparpotenziale ermitteln, statt die Klimabilanz von Berlin und Vattenfall mit riesigen Biomasse- Importen aufzuhübschen und dafür die weltweite Nachfrage anzuheizen. Denn mit der Nachfrage der Industriestaaten steige das Risiko, dass Unternehmer in Entwicklungsländern mit Raubbau und Ausbeutung von Einheimischen schnelles Geld machen. Damit wäre am Ende zwar das Berliner Versorgungsproblem scheinbar gelöst, aber global mehr Schaden als Nutzen angerichtet.

Vattenfall hat sich in Liberia bereits eingekauft: Der Konzern hält 20 Prozent an „Buchanan Renewables Fuel Inc.“. Nach Auskunft von Vattenfall wurde im Frühjahr 2010 ein Fünfjahresvertrag über die Lieferung von insgesamt einer Million Tonnen Bio-Brennstoff abgeschlossen. Mittelfristig sehe man ein jährliches Potenzial von zwei Millionen Tonnen.

Im Dezember reisten Vattenfall-Leute aus Stockholm und Berlin gemeinsam mit zwei Studienautoren fünf Tage durch das von 14 Jahren Bürgerkrieg immer noch gezeichnete Liberia. Dort fanden sie gigantische Kautschukplantagen vor, von denen große Teile überaltert und deshalb für die Kautschukgewinnung nicht mehr brauchbar sind. Auch ökologisch gelten sie als eher wertlos. Aus diesen Wäldern soll das Holz für Vattenfall kommen. Dagegen hätten auch die meisten Vertreter der Nichtregierungsorganisationen, mit denen die Delegation gesprochen hat, nichts einzuwenden, heißt es in der Studie. Die Beschränkung auf solche Plantagen und die Nachpflanzung neuer Gummibäume müssten allerdings verbindlich gesichert werden.

Typischerweise werden dafür Gütesiegel von Organisationen wie dem Forest Stewardship Council (FSC) verwendet, der auch die nachhaltige Bewirtschaftung der Berliner Forsten kontrolliert. EU-weite Vorgaben für die Nachhaltigkeit sind noch in Arbeit. „Im Moment gibt es kein Zertifikat, das alle Kriterien abdeckt, die wir wollen“, sagt Vattenfall- Sprecher Hannes Hönemann. „Deshalb werden wir selbst ein Label schaffen.“ Die Kontrolle solle dann „ein unabhängiger Dritter“ übernehmen. Nach Auskunft von Hönemann will Vattenfall Kriterien entwickeln, die sich weltweit anwenden und bei potenziellen Lieferanten abfragen lassen. Liberia sei nur eine von zahlreichen potenziellen Rohstoffquellen für den Konzern; man sei auch mit kanadischen, US-amerikanischen, ukrainischen und weißrussischen Lieferanten im Gespräch. Und etwas Biomasse sei auch von den Grünflächenämtern der Bezirke zu bekommen. Aber von diesen Mengen wird noch kein Kraftwerk warm.

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