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Berlin: Hühnersuppe der Erinnerung

Zwei Charlottenburger Jüdinnen brutzeln sich durch die Doku „Oma & Bella“.

Alexa Karolinski ist aufgewachsen mit dem Geschmack von Omas Hühnersuppe. Die gab es am Freitagabend, am Sabbat – und natürlich zu allen Festtagen. Vor drei Jahren kam die heute 27-Jährige auf die Idee, ihre 84-jährige Oma Regina Karolinski und deren 88-jährige Freundin und Mitbewohnerin Bella Katz in deren Charlottenburger Wohnung zu interviewen, um ein Kochbuch mit ihren Rezepten zu schreiben. Oma kommt aus dem polnischen Katowice und ihre Freundin Bella aus Vilnius in Litauen. Beide waren als Jüdinnen den Verfolgungen der Nazis ausgesetzt, kamen nach dem Krieg als „displaced persons“ nach Berlin, blieben und wurden Freundinnen.

„Durch die Interviews habe ich sehr viel von ihnen gelernt und erfahren“, sagt Alexa Karolinski. „Es ging mir bei dem Projekt vor allem darum, die osteuropäische jüdische Kultur zu bewahren. Die definiert sich ja sehr stark übers Essen.“

Dass dann ein Film herauskam über das Leben von Oma und Bella, lag an der Tatsache, dass Karolinski in New York an der School of Visual Arts studierte. „Oma & Bella“ war ihre Abschlussarbeit. Beim Kulinarischen Kino feiert der Film am Donnerstagabend Weltpremiere. „Geschmack ist eine Sache der Erfahrung“, sagen Berlinale-Chef Dieter Kosslick und der Leiter des Kulinarischen Kinos, Thomas Struck. In diesem Teil der Berlinale geht es auch um Qualitätsbewusstsein, darum, Vertrauen wiederzufinden nach all den Lebensmittelskandalen, die in den vergangenen Jahren auch dort immer wieder angeprangert wurden. Erfahrene Köche machen es nach dem Rezept von Oma und Bella, die ganz ihrem eigenen Geschmack vertrauen und Lebensmittelhändlern, die sie gut kennen. Alexa Karolinski hat von Oma und Bella zum Beispiel gelernt, dass die am meisten wiegende Selleriewurzel auch die Beste ist. Qualitätsbewusstsein ist für die beiden nämlich ganz wichtig. „Ihr Hähnchenverkäufer weiß genau, was sie wollen.“ Wenn die Filmemacherin die Rezepte der Oma nachkocht, fühlt sich ihr Freund immer an die japanische Küche erinnert: „Wegen der Präzision.“ Kochen ist für sie auch eine Sprache, ein Liebesbeweis. Nicht umsonst heißt es „Liebe geht durch den Magen“. In der Wohnung der beiden alten Damen sind immer Freunde und Verwandte um den Tisch herum versammelt. Kochen aus frischen Zutaten gehört dort zum Alltag. Oft gibt es Borschtsch auf die polnische Art, den man warm oder kalt essen kann. Die Hühnersuppe heißt wegen der heilsamen Wirkung auch „jüdisches Penicillin“. Familie, Liebe, Erinnerungen, all das liegt in der Hühnersuppe.

Vielleicht wird der Film über Oma und Bella danach ja noch beim Jüdischen Filmfestival im Frühjahr gezeigt. „Ein Verleiher fehlt mir leider noch“, sagt Alexa Karolinski, die inzwischen in Brooklyn im Staat New York lebt. Im Kulinarischen Kino waren die beiden Vorstellungen in kürzester Zeit ausverkauft. Erst am vergangenen Wochenende hat sie die Kinofassung fertiggestellt. Über ihre Website kann man Kontakt aufnehmen. Sie freut sich, den 75 Minuten langen Film zum Beispiel Schulklassen oder anderen interessierten Gruppen zu zeigen.

Das Kochbuch ist nun ihr nächstes Projekt. Darin wird es Rezepte für Graupensuppe, gefüllte Paprikaschoten, Kohlrouladen, gefillte Fisch, Kreplach, eingelegten Hering, Rugelach und Hagelzuckerkekse mit Frischkäse geben.

Wenn sie aus Amerika zu Besuch kommt, fährt sie immer ganz schnell zu Oma. Nach der heißen Dusche braucht sie unbedingt erst mal eine Portion der originalen Hühnersuppe. Elisabeth Binder

Mehr zum Film im Internet unter: www.omabella.com

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