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Der Beagle Emil wurde von einem anderen Hund verletzt.

© Kai-Uwe Heinrich

Hunde in Berlin: Opfer bleiben auf Behandlungskosten sitzen

Leute, deren Hund von einem anderen Hund verletzt wird, haben in Berlin oft ein Problem. Ihre Gegner geben ihre Personalien nicht heraus. Beispiele aus Steglitz-Zehlendorf.

Die Treppen zum dritten Stock, die schaffte Emil noch. Mühsam allerdings nur, er schleppte sich regelrecht vorwärts. Aufs Sofa schaffte er es dann nicht mehr. Der Rücken, man sah es an der Körperhaltung. Zum Glück waren Schmerzmittel im Haus, aber liegen konnte Emil in der Nacht trotzdem nicht. Er saß die ganze Zeit.

Kurz darauf landete er beim Arzt. Beim Tierarzt. Emil ist ein Beagle.

Ein deutscher Schäferhund hatte ihn gebissen, kurz vor Weihnachten, am Grunewaldsee, als Christopher Ertzdorff mit seinem Hund Emil spazieren gegangen war. Am Grunewaldsee sind viele Hunde unterwegs, der Begleiter des Schäferhunds hatte einen Ball geworfen, sein Hund war hinterhergejagt, Emil hatte geknurrt, Ertzdorff hatte ihn gerufen, Emil war gekommen. "Und als dann eigentlich alles geklärt war, hat der Schäferhund Emil angefallen und gebissen."

"Der Hund hat doch nichts"

Das war das erste Problem für Ertzdorff. Sein zweites hatte er Momente später. Die Begleiter des Schäferhunds, ein Pärchen, so schildert es Ertzdorff, weigerten sich, ihre Namen preiszugeben. Der Mann habe nicht mal selber seinen Hund zurückgezogen, das habe die Frau gemacht. Als Ertzdorff aufgebracht nach ihrem Namen fragte, weil er ahnte, dass sein Hund erheblich verletzt war und wohl zum Tierarzt musste, habe sie nur geantwortet: "Der Hund hat doch nichts." Dann sei sie mit Schäferhund und Mann abgezogen. Der Mann habe abseits gewartet.

Sein Besitzer Christopher Ertzdorff ist auf den Behandlungskosten sitzen geblieben.
Sein Besitzer Christopher Ertzdorff ist auf den Behandlungskosten sitzen geblieben.

© Kai-Uwe Heinrich

Dass Hundehalter ihre Personalien nicht preisgeben, ist kein seltenes Problem

Zurück blieb Ertzdorff mit der späteren Diagnose des Tierarztes ("massive Probleme mit der Wirbelsäule") und einer Rechnung über die Behandlung. Und natürlich mit der bitteren Erkenntnis, dass die Arztkosten, auf denen er sitzen geblieben ist, inzwischen auf 400 Euro angestiegen sind. Denn Emil war zum dritten Mal von einem Hund angefallen worden. Zweimal hatte sich der jeweilige Besitzer geweigert, seinen Namen zu sagen.

Opfer bleiben auf Behandlungskosten für ihre Hunde sitzen, ein ständiges Problem in Berlin, in allen Bezirken. Beispiel Steglitz-Zehlendorf, mit Grunewald- und Schlachtensee. "Leider ist ein solcher Vorgang keine Ausnahme mehr, sondern recht häufig geworden", sagt Michael Karnetzki, der Bezirksstadtrat für Bürgerdienste, Ordnung und Verkehr. Die Beiß-Statistik 2015 listet 95 Fälle auf, bis Anfang Dezember 2016 wurden 89 registriert. Am häufigsten waren Deutsche Schäferhunde, Golden Retriever, Jagdhund-Mixe und Mixe verschiedener Rassen, meist große Hunde, beteiligt.

Wie oft Hundebesitzer sich weigerten, ihre Personalien herauszugeben, nachdem ihr Tier einen anderen Hund angefallen hatte, kann Karnetzki nicht sagen. Aber immerhin so viel: "Es kommt zumindest sehr oft vor, dass die Verursacher die Namen und Anschriften verweigern. Das kann zum Haltungsverbot führen."

2015 sprach der Bezirk in elf Fällen Leinen- und Maulkorbzwang aus, 24 Besitzer mussten ihren Hund zu einer Hundeschule bringen. Die Statistik für 2016 ist noch nicht vollständig ausgewertet, aber es gab mindestens fünfmal Leinen- und Maulkorbzwang und 13 Aufforderungen, eine Hundeschule zu besuchen.

Aber auch Menschen leben nicht ungefährlich. 2015 wurden in Steglitz-Zehlendorf 54 Fälle gemeldet, in denen Hunde Menschen gebissen hatten. 2016 waren es bis Mitte Dezember 41.

Viele Besitzer haben keine Haftpflichtversicherung

Natürlich muss jeder Hundebesitzer eine Haftpflichtversicherung für sein Tier abschließen. "Nur machen das viele wahrscheinlich nicht", sagt Ertzdorff. Das kann der Grund dafür sein, dass er schon Hundebesitzer beobachtet hat, "die sich geprügelt haben".

Christoph Graf von Plettenberg kennt solche Geschichten. In seine Tierarztpraxis in Charlottenburg kommen die Hunde mit ihren Bisswunden, er hat auch Emil behandelt. "In ca. 30 Prozent der Fälle, die ich kenne, weigern sich Leute, ihre Personalien herauszugeben", sagt er. Ein mitunter teures Informationsdefizit. "Wenn der Brustkorb verletzt ist, kann die Behandlung bis zu 1000 Euro kosten. Fünf Prozent der Fälle bei uns sind Bissverletzungen, das ist relativ viel." Zusätzliches Problem: "Nicht immer ist sofort zu erkennen, wie schwer eine Verletzung ist. Gerade bei Biss- oder Rissverletzungen ist das so, wenn ein Tier ein dichtes Fell hat." Und Tage später sei die Ursache für solche Verletzungen nicht immer leicht zu erkennen. "Viele Besitzer unterschätzen die Probleme, wenn man keine Wunde sieht", sagt auch Ertzdorff.

Im Zweifel hilft nur Klagen, aber der Aufwand ist oft groß

Von Plettenberg hat auch schon erlebt, "dass ein Mann, dessen Hund den Schaden am anderen Hund verursacht hatte, seinen Gegner angezeigt hat". Er empfiehlt grundsätzlich, die Polizei oder das Veterinäramt zu informieren. "Dann wird das Tier aktenkundig." Die Polizei kann allerdings nicht mitteilen, wie viele Anzeigen es in Berlin insgesamt wegen Hundebissen gegeben hat. So detailliert wird die Statistik nicht geführt.

Nachdem ein Dalmatiner vor Monaten Emil angefallen und an der Wirbelsäule verletzt hatte, erfuhr Ertzdorff zwar die Personalien der Hundebesitzerin. Unter lautstarkem Protest der Frau natürlich, und nur weil Ertzdorff auf der Leine des Dalmatiners stand. Aber letztlich nützte ihm die Information auch nichts.

Emil erhielt eine schmerzstillende Spritze, sein Besitzer eine Rechnung. Doch als Ertzdorff das Geld von der Halterin des Dalmatiner zurückforderte, erhielt er nur eine böse formulierte SMS. Sie zahlte keinen Cent. "Ich hätte juristisch vorgehen können", sagt Ertzdorff heute. Aber der ganze Aufwand war ihm zu groß. "Irgendwann", sagt er, "freust du dich nur noch, dass der Hund wieder gesund ist."

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