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Gefragte Ware. Dieser junge Golden Retriever wurde in einem illegalen Tiertransporter entdeckt.

© David Ebener/dpa

Hundemafia in der Hauptstadt: Wie Berlins Bezirke gegen illegalen Welpenhandel ankämpfen

Berlin tut sich schwer mit dem Kampf gegen die Welpenmafia. Dabei haben die Zahlen des illegalen Handels mit Hundewelpen seit Jahren massiv zugenommen.

Tierschützer schildern Szenen wie im Krimi: Ausgezehrte Welpen, die bei konspirativ anmutenden Treffen aus dem Kofferraum eines Pkw heraus verkauft werden. Spontan verschobene Zeit- und Treffpunkte, um Polizei und Ordnungsamt abzuschütteln. Krude Ausreden, das Muttertier des privaten Wurfes sei bei einem Onkel oder verstorben.

Der illegale Verkauf von Hundewelpen in Berlin hat in den vergangenen drei bis vier Jahren massiv zugenommen. Rund 120 Fälle von illegalem Welpenhandel wurden 2017 in den acht Bezirken, die eine Statistik führen, registriert. 2015 waren es rund 80 Fälle, 2008 bis 2012 pro Jahr etwa zehn.

Die Dunkelziffer liegt wohl um ein Vielfaches höher, denn nur ein Bruchteil der Fälle kommt Experten zufolge zur Anzeige. Ohne Erlaubnis verkaufen Händler die Welpen gewerbsmäßig über Kleinanzeigenportale, wie gebrauchte Möbel.

Dahinter stecken laut Tierschützern und Ämtern oft Händlerringe mit mafiösen Strukturen, die die Tiere überwiegend aus Osteuropa nach Berlin bringen. Für illegale Züchter sind Welpen ein lukratives Geschäft: „Sie haben so gut wie keine Investitionskosten für Futter, Tierarzt oder Unterbringung, die Muttertiere werden in engen Boxen im Keller gehalten“, erklärt Annette Rost, Sprecherin des Berliner Tierheims, das regelmäßig von der Polizei sichergestellte Tiere aufnimmt. „Die Hündinnen säugen ihre Welpen, die werden dann nach vier Wochen abgesetzt und verkauft.“

Ohne Papiere, ohne Impfungen, oft krank und verhaltensauffällig, weil sie zu früh von ihren Müttern getrennt wurden. Oft brächten die Besitzer ihre Welpen ins Tierheim, wenn sie beim Tierarztbesuch erfahren, wie hoch die Behandlungskosten der Welpen sind. Andere setzten ihre Hunde aus.

Auch Rassekatzen werden gehandelt

Der Handel mit Tieren aus Massenzuchten, die entweder direkt auf sogenannten Polenmärkten oder in Berlin auf der Straße verkauft werden, datiert bis in die 1920er Jahre zurück. Heute bieten die Händler die Welpen der Billig-Züchter auf Online-Plattformen für Kleinanzeigen an. Darunter Moderassen wie Chihuahuas und Möpse, aber auch Mischlinge oder Labradore, die dort ab 250 Euro kosten. Auch Rassekatzen gehören mittlerweile zum Angebot.

Chihuahuas oder Möpse, die von professionellen Züchtern stammen und mit Stammbaum, Impfpass und Impfung verkauft werden, kosten üblicherweise ab tausend Euro aufwärts. Beobachter warnen, anhand des niedrigen Preises könne man Hunde aus Massenzuchten nicht immer erkennen, denn die illegalen Händler hätten die Preise vielfach den Züchterpreisen angepasst.

Illegale Händler, die vorgeben, einen privaten Wurf zu verkaufen, bieten häufig extrem junge Welpen an, was viele Interessenten lockt. Dabei müssen Hunde mindestens acht Wochen nach der Geburt bei ihren Muttertieren verbringen, um eine ausreichende Immunisierung und Sozialisierung aufzubauen, bevor sie verkauft werden dürfen. Erst im Alter von etwa 16 Wochen dürfen Welpen aus dem Ausland mit erfolgter Tollwutimpfung nach Deutschland gebracht werden.

„Gerade hatten wir 18 sichergestellte Welpen aus illegalem Handel gleichzeitig hier“, berichtet Annette Rost. Der jüngste Welpe sei erst vier Wochen alt. Unseriöse Angebote im Netz seien etwa daran zu erkennen, dass sie in schlechtem Deutsch, ähnlich lautenden Formulierungen und ohne Kontaktadressen veröffentlicht würden. „Unsere Empfehlung ist, dass man den Züchter besucht und sich selbst überzeugt, wie und wo die Tiere groß werden. Man sollte sich unbedingt das Muttertier zeigen lassen.“

Koordinierte Einsätze in Reinickendorf

Aktuell konzentrieren sich Welpenhändler unter anderem auf Reinickendorf. Etwa 30 Hunde aus illegalem Handel wurden dort 2017 registriert. Im Januar begann der Bezirk, mit koordinierten Einsätzen von Polizei, Ordnungsamt und Tierschützern Händler zu überführen: „Ich gehe davon aus, dass wir diese Einsätze ein halbes Jahr machen und dass dann kein illegaler Handel mehr in Reinickendorf stattfindet“, behauptet Ordnungsstadtrat Sebastian Maack (AfD).

Schon in den ersten vier Wochen seit Beginn der Offensive sei der Handel deutlich zurückgegangen. Der größte Händlerring habe sich laut Tierschützern aus dem Bezirk zurückgezogen. Über die Einsätze selbst möchte Maack aus taktischen Gründen nicht zu viele Details an die Öffentlichkeit tragen.

Aber was ist mit der Dunkelziffer? Zudem beobachten Behörden seit längerem, dass Welpenhändler von einem Bezirk zum nächsten wandern, wenn ihnen der Handel erschwert wird. Selbst wenn es Reinickendorf gelingt, den Welpenhandel einzudämmen, verlagert sich das Problem allenfalls.

In Berlin scheitert die Verfolgung der Händler zudem häufig an den Zuständigkeiten der Behörden: „Sie wissen, dass das Veterinäramt Reinickendorf in Mitte nicht tätig werden darf, deshalb verlegen sie den Treffpunkt zur Übergabe kurzfristig nach Mitte“, sagt Maack.

Beide Bezirke arbeiten inzwischen zusammen. Eine berlinweite Strategie wie die in Reinickendorf gibt es bisher nicht. Ein Vorschlag aus der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf, ein bezirksübergreifendes Meldesystem einzuführen, das Veterinär- und Ordnungsämter mit der Polizei vernetzen und die Händler in einer Datenbank erfassen soll, wurde vom Senat aufgrund fehlender Rechtsgrundlage abgelehnt.

Landestierschutzbeauftragte will Online-Handel verbieten

Die Landestierschutzbeauftragte Diana Plange verfolgt einen anderen Ansatz: „Wichtig ist, die Möglichkeit, Welpen über das Internet zu verkaufen, zu unterbinden. In Österreich ist der Handel mit lebenden Tieren im Netz verboten. Das wäre auch für Deutschland eine sehr sinnvolle Lösung.“

Mit einer Aufklärungskampagne, die sie aktuell mit der Tierärztekammer Berlin organisiert, und im Gespräch mit Plattformbetreibern will Plange illegalen Welpenhandel bekämpfen. Mit Ebay Kleinanzeigen stehe sie deshalb in Kontakt. Allerdings gibt es etliche andere Plattformen, auf denen Welpen angeboten werden.

Bemühungen wie die Einsätze gegen Welpenhändler in Reinickendorf müssten zentralisiert und von allen Parteien mitgetragen werden, findet Plange. Das Problem sei ein berlinweites: „Das Ansinnen einzelner Politiker, die Welpenhändler härter zu bestrafen ist zusätzlich sicher notwendig, aber die Händler sind inzwischen so gerissen und gut organisiert, dass eine eigene Bekämpfungseinheit notwendig wäre, um den Welpenhandel einzudämmen.“

Plange appelliert an die Berliner: „Wenn man ein Tier kaufen möchte, sollte man erst einmal im Tierheim gucken, bevor man im Internet sucht.“

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