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Berlin: Hunderte erinnerten sich nachts auf der Bornholmer Straße

Nun haben wir die Marktwirtschaft, sagte einer leise, "und doch gibt es nischt zu koofen." Das stimmte, keine Bierbude, kein Frittenstand weit und breit.

Nun haben wir die Marktwirtschaft, sagte einer leise, "und doch gibt es nischt zu koofen." Das stimmte, keine Bierbude, kein Frittenstand weit und breit. Genau das jedoch machte den Charme dieses Abends aus. Kein Rummel wie am Brandenburger Tor. Einige Hundert, die meisten wohl aus dem Osten, hatten sich am späten Abend auf der Bornholmer Straße eingefunden, um jener Nacht im November zu gedenken. Nur viele weiße Kerzen und eine kleine Bühne zeigten an, dass hier gefeiert wurde. Und zwar vor allem mit mitgebrachtem Rotkäppchen-Sekt.

Eine Familie - Ost - war vor zehn Jahren nicht hier, man hatte das Ganze schlicht überhört und verschlafen. Darüber sind sie nach zehn Jahren noch verwundert, schließlich wohnten sie in der Schönfließer Straße, einer Querstraße zur Bornholmer. "Das war ja nicht laut", sagt die Mutter. Einer aus dem Westen hörte den Mauerfall viel deutlicher. Er radelte damals kurz nach Zehn über die Osloer Straße nach Hause. Die Osloer hatte damals die Eigenheit, jeden Meter Richtung Osten leiser und stiller und unbefahrener zu werden. Dort wo der 35-Jährige wohnte, Ecke Grüntaler, begann die Bornholmer - bis zum 9. November 1989 eine quasi-Sackgasse. Doch an diesem Abend knatterte es im Wedding, ein Trabbi nach dem anderen hupte sich Richtung Kurfürstendamm. So wie viele Ost-Berliner einen West-Ausflug machte der Weddinger einen Ost-Ausflug, bis ihn die Angst packte, er hatte schließlich keinen Ausweis dabei.

Die Symbolik reichte an diesem 10. Jahrestag nur zu einem einzelnen Trabbi, der kurz nach 23 Uhr natürlich Richtung Westen über die Bornholmer Brücke sauste. Es wurde geklatscht wie für die 10-jährige Steffi, die kurz vorher von Weddings Bürgermeister Hans Nisblé als Geburtstagskind präsentiert worden war. Geboren in der 22. Stunde dieses 9. November, und noch dazu in der Swinemünder Straße zu Hause, einer jener Straßen also, die seitdem nicht mehr in Ost und West getrennt sind.

Und auch die Bösebrücke, wie die Bornholmer Brücke offiziell heißt (auch wenn den Namen kaum einer benutzt), verbindet wieder über den Eisenbahngraben Prenzlauer Berg und Wedding. Böse übrigens war ein kommunistischer Arbeiter, den die DDR 1950 für würdig befand, Hindenburg als Namenspatron dieser Brücke abzulösen.

Die fünf aus dem Ostteil wollen in zehn Jahren wieder an diese Stelle kommen - und auch der 35-Jährige von der anderen Seite.

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