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Berlin: „Ich bin prinzipiell wieder bereit“

Alexander Brenner will für den Vorstand der jüdischen Gemeinde kandidieren – andere wollen das auch

Alexander Brenner hat sich Zeit genommen. Viele Wochen lang dachte der amtierende Vorsitzende der Berliner jüdischen Gemeinde nach und beriet sich mit Freunden, ob er sich das alles noch einmal „antun“ sollte. Jetzt hat der 72-Jährige sich entschieden: „Ich bin prinzipiell bereit, für den neuen Vorstand zu kandidieren“, sagte er dem Tagesspiegel.

Eine kleine Überraschung ist diese Ankündigung schon. Denn die vergangenen zwei Jahre waren für Brenner alles andere als angenehm. Immer wieder wurde seine Amtsführung scharf kritisiert. Streitigkeiten mit den Vorstandskollegen waren ebenso an der Tagesordnung wie tumultartige Sitzungen der Repräsentantenversammlung, dem 21-köpfigen Parlament der 12 000 in Berlin lebenden Juden. Im März kam es zum Eklat: Erstmals in der Geschichte einer jüdischen Gemeinde in Deutschland löste sich die Repräsentantenversammlung selbst auf. Die neuen Mitglieder des Gremiums und der Vorstand werden nun im September gewählt.

Ob Brenner letztendlich wirklich als Kandidat für einen der fünf Führungsposten antritt, macht er nicht nur von einer Geschäftsordnung für die Spitze der Gemeinde abhängig. Ohne eine solche Grundlage gebe es wie in der Vergangenheit nur Stillstand. Von großer Bedeutung sei aber eben auch die künftige Zusammensetzung des Parlaments. „Ich kandidiere, wenn eine konstruktive Zusammenarbeit möglich ist. Sollten nur die alten Leute wieder dabei seien, mache ich es nicht.“ Viele der „alten Leute“ wollten auch nicht, dass er sich noch einmal vorwagt. „Das ist für mich eine Art negativer Motivation.“

Der amtierende Vorsitzende der jüdischen Gemeinde ist nicht der Einzige, der sich für den nächsten Vorstand zur Verfügung stellt. Interesse bekundet zum Beispiel Albert Meyer. Wie viele andere auch sieht der Rechtsanwalt die Gemeinde in einem „unglücklichen Zustand“, der umgehend beendet werden müsse. „Wir brauchen dringend wieder Konsens, gerade in der Führungsetage“, betonte der 56-Jährige auf Anfrage. Die unterschiedlichen, oft verfeindeten Strömungen will auch die Unternehmerin Sylva Franke zusammenbringen. „Ich möchte dabei helfen, die Einheit der Gemeinde wiederherzustellen“, begründet sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel ihre Bereitschaft, sich für den Vorstand zu bewerben. Auf einen Neubeginn setzt Julius Schoeps. Der Historiker und Leiter des Potsdamer Moses-Mendelssohn- Zentrums für europäisch-jüdische Studien hatte bereits im März sein Interesse am Amt des Vorsitzenden bekundet.

Ob Brenner, Meyer, Franke oder Schoeps – alle sind sich einig, dass die jüdische Gemeinde strukturell von Grund auf neu organisiert und finanziell saniert werden muss. „Wir haben die Ausmaße und mit 25 Millionen Euro den Etat einer mittelständischen Firma. Also sollte die Gemeinde auch so geführt werden, inklusive Management mit Geschäftsführer“, findet Rechtsanwalt Meyer. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde gerade von der Repräsentantenversammlung beschlossen: Der Landesrechnungshof soll gebeten werden, die Ausgabenpolitik der Gemeinde zu prüfen. Wenn möglich kostenlos.

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