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Ifa: Alles wächst zusammen

Das Hauptthema der Internationalen Funkausstellung heißt weiterhin 3-D, nur jetzt ohne Brille. Und das Motto: Ich vernetze, also bin ich. Ein Streifzug durch die heiligen Hallen der bombastischen Inszenierung.

Das Grundprinzip der Ifa lässt sich seit Jahren recht einfach benennen: Es wächst alles zusammen. Die Glotze mit dem Internet, das Handy mit der Jalousiesteuerung, die Küchenmaschine mit dem Fernsehkoch. In diesem Jahr lässt sich ein besonders seltsames Phänomen beobachten. Am Stand der Zubehörfirma Hama tragen die Hostessen Dirndl. Überall sonst besteht ihre Dienstuniform aus engem Kostüm mit Minirock, hier sind es Dirndl. Auch das hat etwas zu bedeuten, vermutlich, dass die Ifa mit der Grünen Woche zusammenwächst oder mit dem Oktoberfest oder beidem.

Es mag aber auch sein, dass die Hama-Manager als erste begriffen haben, dass eine Prise Heimat lebensnotwendig sein kann in den Hightechstrudeln der Heimelektronik. Wer kein ausgeprägtes Faible hat für „Large household appliances“ oder „Electric domestic heating systems“, der versteht hier nicht mal mehr Bahnhof, der hat den Kontakt zum Thema verloren und sollte lieber seinen Fachhändler besuchen als die Ausstellung. Die Ifa, das zeigt sich jedes Jahr deutlicher, hübscht sich auf für ausländische Einkäufer und nimmt den Berliner Zaungast nur noch als Staffage für die lärmende Überwältigung. Hinter den Schranken sitzen die Fachhandelsbesucher beim Cappuccino, davor schleppt der Normalgast die Tüten mit den rituellen Glanzprospekten ab und staunt über die bombastischen Inszenierungen. Zu empfehlen wäre in diesem Sinne die 3-D-Wand der Firma LG, auf der die Hubschrauber und Raumgleiter und Weltallkristalle direkt ins Auge des Betrachters fliegen. 3-D ist überhaupt innerhalb von zwei Jahren zum Hauptthema geworden: Mit Brille geht gerade noch, ohne Brille aber ist schwer im Kommen und wird vermutlich im kommenden Jahr schon von 4-D abgelöst. Und wer noch nicht jeden einzelnen Raum seines Eigenheims mit vernetzten Displays und Lautsprechern bestückt hat, der muss sich fragen lassen, ob er sich dem Walten der Wirtschaft womöglich vorsätzlich in den Weg stellt. Denn, so sagt es Keith McLoughlin, der Chef von Electrolux, am Freitag in seiner „International Keynote“: „Consumers are in the driver’s seat for growth“ – die Kunden sind die, die das Wachstum in der Hand halten.

Überhaupt wird sich kaum ein Besucher der Ifa dem Eindruck entziehen können, dass die Geräte, die er im vergangenen Jahr für teures Geld angeschafft hat, in diesem Jahr schon wieder der Kram von gestern sind. Vor allem die Energieeffizienz spielt eine große Rolle; viele Hersteller wünschen sich, dass ihre Kunden die durch ein neues Gerät ersparten Kilowattstunden sogleich mit einem weiteren Gerät verfeuern, einem Weinklimaschrank vielleicht oder einer Küchenmaschine mit Induktionsbeheizung – jener vielleicht, aus der Johann Lafer gerade einen fluffigen Vanilleschaum hebt und sinnlich in Pappbecher tropfen lässt.

Die Ifa ist ja dort, wo sie volkstümlich wird, zum Spielplatz der TV-Köche geworden, die Häppchen auf Häppchen auf ihre enthusiasmierte Anhängerschaft abfeuern, angeführt vom König der Selbstvermarkter, Alfons Schuhbeck, der bei seinem Auftritt bei Siemens überhaupt nichts mehr in der Nähe des Herdes duldet, was nicht seinen Namen trägt. Die Köche stehen für Menschennähe, für handfeste Sinnlichkeit in einer Welt, die sich langsam ins Virtuelle auflöst, in der „Cloud“ verpufft. Denn noch ist kein Gerät zu sehen, dass eines Tages auch sie ablösen könnte.

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