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Wütend und betrogen. Schüler der Zehlendorfer Kennedy-Schule halten ihre ungültigen Flugscheine für ihre Abifahrt hoch.Foto: dpa

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Berlin: „Ihr habt unseren schönsten Abend zerstört“

Betrugsfall Abi-Ball: Schüler demonstrieren vor Kreuzberger Agentur. Die Polizei ermittelt – es geht um 250 000 Euro

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„Es ist ja wohl das Allerletzte, den wohl schönsten Abend eines jeden Abiturienten zu zerstören! Ich hoffe, ihr könnt nachts nicht mehr schlafen und erstickt am Geld!“ Josefine B. ist mehr als wütend. Auf Facebook macht die Schülerin eines Marzahner Gymnasiums ihrem Ärger Luft – wie etliche andere Abiturienten. Der Grund: Ihre Abitur-Bälle fallen aus, weil sich die Betreiber der Eventagentur „Easy Abi“ offenbar mit ihrem Geld abgesetzt haben. Am Mittwochabend zählte die Polizei 30 Berliner und vier Brandenburger Schulen, die Anzeige erstattet haben. Es geht um einen Schaden von mehr als 250 000 Euro. „Und wir gehen davon aus, dass die Zahlen steigen werden“, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei.

Spezialisten vom Landeskriminalamt gehen jetzt alle Unterlagen durch, Konten wurden bereits eingefroren. Ob das verschwundene Geld jemals wieder auftaucht, bleibt aber unklar. Offenbar war der Betrug gut geplant.

Vor etwa einem Monat habe es plötzlich einen Besitzerwechsel bei „Easy Abi“ gegeben, sagte Anwalt Karun Dutta, der 16 Oberschulen und Gymnasien vertritt. Nach Tagesspiegel-Informationen sind der jetzige Firmeninhaber Karl Heinz R. und Geschäftsführer Rainer S. dem LKA als Straftäter im Bereich der Wirtschaftskriminalität bekannt. Zu den vorherigen Firmenchefs, David H. und Marcel L., machte die Polizei keine Angaben.

Laut Handelsregister ist R. mit einer Einlage von 25 150 Euro im beim Amtsgericht Charlottenburg eingetragen. Der 64-jährige Rainer S. war seit Mai als neuer Geschäftsführer tätig. Dem Tagesspiegel sagte er am Mittwoch, dass er am Freitag seine Tätigkeit niedergelegt habe. Sein Partner habe vielmehr die Firma für 400 000 Euro von den Vorbesitzern David H. und Marcel L. gekauft und S. als Geschäftsführer eingesetzt. 360 000 Euro seien den beiden Verkäufern schon überwiesen worden, behauptet S. Dann habe er aber gemerkt, dass „in der Buchhaltung etwas nicht in Ordnung ist“ und sei ausgestiegen. Der Kaufvertrag mit den früheren Besitzern von „Easy Abi“ sei rückgängig gemacht worden. Zu den konkreten Vorwürfen und dem Verbleib des Geldes, um das die Schüler betrogen wurden, wollte sich S. nicht äußern. Sein Geschäftspartner war nicht erreichbar.

Vorbesitzer David H. veröffentlichte am Mittwoch eine Stellungnahme, in der er erklärte, dass er nach dem Verkauf als externer Dienstleister für den Übergang tätig gewesen sei. In der vorigen Woche hätten ihm dann verschiedene gebuchte Locations mitgeteilt, dass sie von der Firma trotz Erinnerung noch kein Geld bekommen hätten. Erst am Freitag habe er von der Absage der Abibälle erfahren.

Rechtsanwalt Dutta rät allen Betroffenen, Strafanzeige zu stellen. „Ich hoffe, die Inhaber wegen schweren gewerblichen Betrugs haftbar zu machen.“ Dass er sich für die Schüler einsetzt, hat sich herumgesprochen. Seine erste Mandantin sei die Nichte einer Bekannten gewesen. Die Schülerin des Max-Planck- Gymnasium habe mit ihren Mitschülern am 18. Juni im Maritim-Hotel in der Friedrichstraße feiern wollen. 19 000 Euro seien an die Agentur überwiesen worden.

„Da wird das große Event, auf das sie sich so lange gefreut haben, plötzlich zur Fata Morgana“, sagte Anselm Salinger, Schulleiter des Eckener-Gymnasium in Mariendorf. Viele Schüler haben sich auch am Mittwoch wieder vor dem leeren Büro von „Easy Abi“ in der Schlesischen Straße in Kreuzberg postiert. „Bei uns geht es um 30 000 Euro für die Abifahrt“, sagte der Vater einer Schülerin der John-F.-Kennedy-Schule in Zehlendorf.

Auch über mögliche Ausweichmöglichkeiten wird gesprochen. Die Abiturienten der Albert-Einstein-Oberschule in Britz feiern nun nicht in einem Hotel in Spandau, sondern in einem Club in Hellersdorf. Auch für Sevgi Yasar vom Max-Planck-Gymnasium in Mitte gehen die Abi-Ball-Planungen weiter: „Wir haben einen Sponsor gefunden. Und das Hotel hat uns günstigere Konditionen angeboten.“ Am Nachmittag bot auch der Fußball-Zweitligist 1. FC Union spontan seine Hilfe an: „Unser Vip-Zelt am Stadion An der Alten Försterei ist absolut Party-erprobt“, teilte ein Klubsprecher mit. „Wir stellen es den betroffenen Schulen für ihre Abi-Bälle gerne zur Verfügung – mietfrei natürlich.“ Platz hätten darin 500 bis 600 Menschen. Nur die Kosten fürs Büfett – von Kartoffelsalat und Buletten bis hin zum Festmahl – müssten die Schüler bezahlen. Bis zum Abend gab es aber noch keine Anfragen.

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