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40.000-Seiten-Akte: Im DRK-Skandal steht die Anklage bevor

Die Staatsanwaltschaft hat ihre Mühe, den Ex-Klinikmanagern Betrug nachzuweisen. Das Gesundheitswesen ist äußerst bürokratisch, Einzelne zu belangen ist schwierig.

Drei Jahre haben die Ermittlungen gedauert, 40.000 Seiten umfasst die Akte inzwischen. Nun sollen sich Ex-Mitarbeiter der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) vor Gericht verantworten. Noch im Februar soll Anklage gegen den Ex-Chefarzt und zwei Ex-Geschäftsführer wegen Betruges erhoben werden. Vier weiteren Angestellten werfen die Ermittler Beihilfe vor.

Am 9. Juni 2010 hatten rund 150 Polizisten drei DRK-Kliniken in Mitte, Wedding und Köpenick durchsucht, kistenweise Papiere mitgenommen und die drei Hauptbeschuldigten für Wochen in Untersuchungshaft gesteckt. Doch obwohl Unterlagen von 90 Ärzten, Verwaltungsangestellten und Juristen der DRK-Kliniken und ihrer Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) geprüft wurden, dürfte das Verfahren nicht so ausgehen, wie sich die Ankläger das wünschen. In Justizkreisen wird von einem äußerst schwierigen Fall gesprochen. „Sehr komplizierte Rechtsfragen“, sagt Justizsprecher Martin Steltner.

Im Visier der Beamten sind die MVZ, jene Praxen auf dem Klinikgelände, mit denen Krankenhäuser im ambulanten Geschäft mitmischen. DRK-Fachärzte sollen in den MVZ die Abrechnungen von Röntgenverfahren unterschrieben, die Eingriffe aber an Assistenten delegiert haben. Doch Assistenzärzte dürfen laut Verordnung nur in Kliniken selbst, nicht in den MVZ behandeln. Außerdem sollen die DRK-Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nicht gemeldet haben, dass Fachärzte an den MVZ auch in den Kliniken selbst arbeiteten. Nebenjobs müssen aber gemeldet werden.

Wohlgemerkt: Die Behandlungen wurden ordnungsgemäß durchgeführt. Doch die KV, die für Ärztehonorare zuständig ist, hat die Gelder der Krankenkassen an die MVZ ausgezahlt, als wären dort alle Mediziner formaljuristisch einwandfrei zugelassen. Die Staatsanwaltschaft geht deshalb davon aus, dass die Kassen um Millionen Euro geprellt worden sind.

Doch selbst wenn der beschuldigte Chefarzt unzulässig Assistenzärzte für Behandlungen abgestellt haben sollte, dürfte der Betrugsvorwurf nur schwer zu beweisen sein. Betrug liegt vor, wenn neben einer Täuschung und einer dadurch erfolgten Vermögensverschiebung auch ein Bereicherungsvorsatz erkennbar ist. Zumindest bei den Geschäftsführern steht fest: Geld, etwa als Boni für besonders viele Patienten, bekamen sie nicht. Die Ankläger argumentieren, Betrug sei auch, wenn jemand – womöglich sogar selbstlos? – anderen Vorteile verschaffen wollte. Beispielsweise die DRK-Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber, indem sie in den MVZ durch mehr Ärzte mehr Patienten behandeln ließen. Sollte dies versucht worden sein, hat es nicht geklappt: In den inzwischen geschlossenen MVZ wurde nur eine schwarze Null erwirtschaftet.

Falsche Abrechnungen sind im Gesundheitswesen keine Seltenheit. „Doch der Fehler liegt oft im System“, sagt Heiko Thomas, Experte für Gesundheitswirtschaft der Grünen im Abgeordnetenhaus. „Nicht so sehr in der mutwilligen Absicht der Mitarbeiter.“ Insbesondere die MVZ gelten als bürokratisch, viele machen sich für ihre Abschaffung stark. Die KV etwa teilt mit, diese Form der Praxen lohne sich nicht: Wer dort Geld verdienen will, müsse womöglich auf „Koppelgeschäfte oder unkorrekte Abrechnungsweisen“ zurückgreifen.

Auch in einem vergleichbaren Fall dürften noch Monate bis zur Anklage vergehen: Im Juni 2011 waren Helios-Kliniken durchsucht worden, weil auch dort falsch abgerechnet worden sein soll. Die Staatsanwaltschaft sagt: „Wir sind noch mitten in den Ermittlungen.“

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