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Berlin: Im Koma: Das lange Sterben des SEK-Polizisten

Der 37-jährige Beamte bekam beim Einsatz in Neukölln eine Kugel in den Kopf. Im Klinikum wurden aber noch schwache Hirnströme gemessen

SEK-Beamter erschossen, hieß es nach dem Einsatz am Mittwochabend in Neukölln. Der Mann hatte eine Kugel in den Kopf bekommen. Er war „klinisch tot“ - doch tot ist nicht gleich tot. Noch liegt der Beamte auf der Intensivstation im Vivantes-Klinikum Neukölln, wird künstlich beatmet. Und im Moment ist unklar, wie lange er dort bleibt – denn sein Hirn zeigt noch Lebenszeichen.

Eigentlich sollten am Donnerstag um 17 Uhr die lebenserhaltenden Apparaturen abgeschaltet werden. Doch bei einer letzten Prüfung registrierten die Ärzte Hirnaktivität, sie konnten schwache Hirnströme messen. Und wenn das Gehirn noch lebt, lebt per definitionem auch der Mensch. Dann ist in Deutschland die Rechtslage klar: Niemand darf den Stecker ziehen. Selbst dann nicht, wenn der Patient in seinem Testament lebensverlängernde Maßnahmen ablehnte. Oder engste Angehörige es nicht mehr ertragen und deshalb sagen: „Schaltet die Maschine ab!“ Allein diese Maschinen sorgen im Moment dafür, dass Herz und Atmung funktionieren. Sie pumpen Luft in die Lungen und das Blut durch die Adern.

Diese Schwebe zwischen Koma und Hirntod kann endlos sein. Ebenso endlos wie die Belastungen, die das für Angehörige bedeuten kann. Es gebe wenig Hoffnung, dass der Mann je wieder belebt werden kann, sagt ein Sprecher der Justizverwaltung. Es gibt immer Hoffnung, sagen dagegen die Ärzte. Adrian Freitag zum Beispiel. Er ist Direktor der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Vivantes-Klinikum Friedrichshain. „Wir kennen Beispiele, wo jemand trotz schwerster Hirnverletzungen wieder aufwachte“, sagt der Mediziner. Aber er weiß auch, wie selten so was ist. Nicht umsonst heißt es dann: ein Wunder.

Doch die Zeit an den Maschinen kann ein Ende haben: Der Arzt darf zwar den Stecker nicht ziehen, wenn der Todkranke schon an einen Apparat angeschlossen wurde. Aber er darf dafür sorgen, dass keine weitergehende Behandlung mehr erfolgt – zum Beispiel eine Antibiotika-Gabe, weil sich eine Lungenentzündung bildete. Diese Krankheit ist eine häufige Komplikation bei künstlicher Beatmung. Nichtbehandlung wäre oft gleichbedeutend mit dem Tod. „Wenn eine weitere Therapie nur das Sterben verlängert und keine Hoffnung mehr auf Heilung besteht, dann sorgen die Ärzte nur noch für die Basistherapie“, sagt Mediziner Freitag. Basistherapie, das heißt: kein Durst, keine Angst, keine Schmerzen.

Die Ärzte fällen diese Entscheidung gemeinsam mit einem „Betreuer“. Solche Betreuer werden vom Vormundschaftsgericht bestellt, wenn der Kranke bewusstlos ist. Oft sind das enge Angehörige, genauso gut können das eng Verbundene sein, zum Beispiel die Freundin, mit der der SEK-Beamte eine einjährige Tochter hat.

Die Polizei hat ein Spendenkonto für die Hinterbliebenen des Beamten eingerichtet: Konto-Nummer: 128 8597 801 bei der SEB-Bank, Bankleitzahl 10010111, Stichwort „Polizistenmorde“

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