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Berlin: Immer mehr Raser sehen Rot

Rücksichtsloses und zu schnelles Fahren nimmt in Berlin erschreckend zu, klagt die Polizei

Auf Berlins Straßen geht es immer rauer zu. Was jeder – ob Autofahrer, Radler oder Fußgänger – täglich am eigenen Leib erlebt, belegt die Polizei jetzt mit Zahlen. So stieg im ersten Halbjahr dieses Jahres die Zahl der erkannten Rotlichtverstöße um acht Prozent auf über 15 000. Besonders schlimm: Die Zahl der Fälle, in denen bereits mehr als eine Sekunde „rot“ war, stieg um fast 25 Prozent auf 1243. Diese Zahlen nannte gestern der Chef der Verkehrspolizei, Wolfgang Klang dem Tagesspiegel. Vor allem der Anstieg bei Dunkelrot-Fahrern sei „ein Hammer“, sagte Klang. Erschreckend sind die Zahlen auch deshalb, weil in Berlin nur 14 der rund 2000 Ampeln mit Blitzgeräten ausgestattet sind. Die Zahl der nicht geahndeten Rotlichtsünden dürfte in die Millionen gehen. Denn wenn früher ein Auto bei Spätgelb das letzte war, rauschen jetzt ein, zwei weitere noch hinterher – mit voller Absicht. „Rotes Ampellicht kann man gar nicht übersehen“, sagt Klang, „denn es wird vorher durch Gelb angezeigt. Eine Sekunde Rot bedeutet: Der Querverkehr hat oft schon grün – und andere Menschen sind in Lebensgefahr.

Auch die groben Verstöße gegen das Tempolimit nehmen weiter zu, ebenso steigt die Zahl der Fahrverbote nach massiven Tempoüberschreitungen. Wohlgemerkt: Die Polizei spricht hier nicht von Autofahrern, die 55 oder 60 auf dem Tacho haben, sondern 70 und mehr. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat sich die Zahl der durch Raserei verursachten Unfälle um 27,5 Prozent erhöht.

Neben Raserei und Rotlicht macht Polizeidirektor Klang die „verschlechterte Moral“ auch an der hohen Zahl der Unfallfluchten fest. Im vergangenen Jahr machte sich bei jedem fünften Unfall der Verursacher aus dem Staub. Jüngster Fall: Am Montag fuhr ein Unbekannter in Kreuzberg einen Rennradfahrer um und dann davon. „Ohne Rücksicht auf andere fährt man einfach weiter“, ärgert sich der höchste Berliner Verkehrspolizist. Aus seinem Dienstzimmer blickt er seit einigen Tagen auf einen frischen Kranz an einem Ampelmast – den tragischsten Unfall in diesem Jahr, der mit etwas Rücksicht hätte verhindert werden können: Am Tempelhofer Damm hatte ein Lkw-Fahrer die 32-jährige Heather McC. auf ihrem Rad beim Abbiegen übersehen und getötet.

Die Zahl der bei der Polizei bekannt gewordenen Fälle grob verkehrswidrigen Verhaltens sinkt übrigens – aber nur, weil viel weniger kontrolliert wird. Zum einen wird Personal abgebaut, zum anderen sind die Beamten immer mehr durch Terrorgefahr, Staatsbesuche und Großveranstaltungen gebunden.

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