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Berlin: Immer mehr Tiere sterben im Labor

Zahl der Experimente stieg auf 300 000. Höherer Bedarf in der Biotechbranche

In den Forschungslaboren Berlins sterben immer mehr Mäuse, Schweine oder Fische für die Wissenschaft. Laut der aktuellen Statistik des für die Genehmigung von Tierversuchen zuständigen Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) wurden im vergangenen Jahr insgesamt 300 903 Tiere für Experimente verwendet. Das sind 17 000 mehr als im Vorjahr und 30 000 mehr als 2004. Rund 82 000 von ihnen wurden 2006 für wissenschaftliche Zwecke getötet, 32 000 nach der für einen Versuch nötigen Betäubung nicht mehr aufgeweckt. Damit bleibt Berlin die Hauptstadt der Tierversuche: rund zwölf Prozent aller Experimente in Deutschland finden hier statt. An rund 227 000 Mäusen, aber auch 1500 Schweinen oder 270 Hunden wurde experimentiert.

Angesichts dieser Zahlen forderte der Berliner Tierschutzverein von der zuständigen Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) „ernsthafte Bemühungen“, die „bisherige Entwicklung zu stoppen“. Forschungsmittel solle die Regierung nur noch genehmigen, wenn das Projekt ohne Tierversuche ablaufe. Die meisten Versuche seien ohnehin nutzlos für wissenschaftliche Fortschritte, sagt der Präsident des Tierschutzvereins Wolfgang Apel. Außerdem gebe es viele seriöse Alternativen, die ohne Tierexperimente auskämen. Dazu zählen etwa Zellkulturen, um die Wirkung von Substanzen auf Organismen zu testen.

Jeder Antrag für Experimente mit Tieren werde genau geprüft, ob diese wirklich nötig seien, sagt Gesundheitssenatorin Lompscher. Im Januar etwa lehnte das Lageso den Antrag der Charité ab, neurologische Versuche mit Affen durchzuführen. Begründung: Der wissenschaftliche Zweck rechtfertige die Leiden der Tiere nicht.

Den Hauptanteil an dem Zuwachs von Tierversuchen in der Stadt tragen genveränderte Versuchstiere, vor allem Mäuse und Ratten. Mit ihnen werden zum Beispiel genetisch bedingte Krankheiten und deren Behandlung erforscht. Das wiederum liege an der wachsenden Zahl von biotechnischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen in der Stadt. „Der Senat fördert die Ansiedlung von Biotechnologien – die wachsende Zahl von Tierversuchen ist der Preis dieser positiven Entwicklung“, sagte Lompscher.

Aber es gibt noch einen weiteren Grund für die Entwicklung. Dass laut einer EU-Regel tausende bereits auf dem Markt befindliche Chemikalien auf ihre Verträglichkeit und Nebenwirkungen geprüft werden müssen, führt zu einer höheren Zahl von Tierversuchen. Obwohl diese Regelung erst im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, hätten viele Firmen schon im Vorfeld begonnen, ihre Produkte testen zu lassen, sagte eine Sprecherin des Bundesverbraucherschutzministeriums.

Dabei steigt die Zahl von Tierversuchen nicht überall. In Rheinland-Pfalz ist die Zahl der Experimente 2006 um 33 000 auf 122 000 zurückgegangen. Die Mainzer Landesregierung fördert die Erforschung von Alternativen, unter anderem mit einem Forschungspreis in Höhe von 20 000 Euro. Ähnliches könnte sich Gesundheitssenatorin Lompscher auch für Berlin vorstellen. Ingo Bach

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