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Berlin: Immer zu spät

Berlins Schüler sind leistungsschwach – und extrem unpünktlich. Nur wenige Schulen nutzen Spielräume

Berlins Schulen könnten trotz ihrer schwierigen Schülerschaft bessere Ergebnisse erzielen. Dies geht aus dem gestern vorgestellten Pisa-Bericht hervor. Demnach nutzen 62 Prozent der Schulen ihre Spielräume nicht aus, sondern verhalten sich „passiv“. Bundesweit gehören nur 53 Prozent zu dieser Gruppe. In Brandenburg 30 Prozent. Als „Spielräume“ bezeichnen die Pisa-Forscher alle Möglichkeiten, die Schulen haben, um ihre Arbeit zu verbessern oder zu erleichtern. Dazu zählt die Bereitschaft, die eigene Arbeit zu bewerten, die Kooperationsbereitschaft der Lehrer untereinander, die Einbindung der Elternschaft und auch die „Förderung eines ordentlichen Lernumfelds“. Letzteres meint etwa, ob die Lehrer sich um das Schwänzen von Schülern kümmern.

Die Pisa-Studie unterscheidet aber nicht nur aktive und passive Schulen, sondern auch belastetet und unbelastete. Als Belastung gilt etwa ein schwieriges soziales Umfeld, ein hoher Migrantenanteil oder auch eine schlechte Personalausstattung. Hieraus bildet die Studie vier Schultypen: Zu den „unbelasteten und aktiven“ zählen in Berlin nur sechs Prozent der Schulen (bundesweit: 15 Prozent, Brandenburg 23). Das ist bundesweit der schlechteste Wert. Als „unbelastet und passiv“ gelten 35 Prozent (bundesweit: 26). Zur Gruppe „belastet und aktiv“ zählen in Berlin 32 Prozent (bundesweit: 32), als „belastet und passiv“ 27 Prozent der Schulen (bundesweit auch 27).

Große Unterschiede zeigen sich auch bei der Wertschätzung der Schüler gegenüber Schule und Unterricht. So gaben in Berlin 24 Prozent der Schüler an (Brandenburg: 16,3 Prozent), dass sie in den zwei Wochen vor der Pisa-Erhebung mindestens ein Mal zu spät kamen. Bei den Berliner Hauptschülern waren es 33,4 Prozent, bei den Gymnasiasten 21,2 Prozent. Zum Vergleich: In Bayerns Hauptschulen verspäteteten sich 14,6 Prozent.

Berlins Bildungssenator Klaus Böger (SPD) zeigte sich gestern empört über die hohe Quote der Verspätungen. Das sei „nicht akzeptabel“. Er ermunterte die Schulkonferenzen, dass sie die Möglichkeit wahrnehmen sollten, Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit im Rahmen der Zeugnisvergabe auf einem separaten Bogen zum Arbeits- und Sozialverhalten zu bewerten. Sekundärtugenden seien zwar nicht alles, aber „ohne Sekundärtugenden ist alles nichts“, so Böger.

Vorsichtige Kritik übte der Senator an einigen Aspekten der Studie. So werde der hohe Anteil an problematischen Migrantenkindern in Berlin nicht hinreichend bewertet. Pisa nenne nur pauschal den Ausländeranteil, ohne etwa zu berücksichtigen, dass Berlin mit seinen vielen türkischen Schülern vor allem bildungsferne Migranten habe, die zudem zu Hause nicht Deutsch sprächen. Das sei etwa in Bayern anders. Im Pisa-Bericht ist Berlins soziokulturelle Lage relativ positiv bewertet worden, so dass hieraus kaum eine Begründung für den schlechten Platz Berlins im Bundesvergleich abgeleitet werden kann. (Seite 36)

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