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Erleben wir einen "Superzyklus" am Berliner Immobilienmarkt? Das Bild zeigt ein Baugerüst an einem Rohbau von Neubau-Wohnungen in Schöneberg.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Immobilienmarkt: Deutsche Bank erwartet „Superzyklus“ für Berlin

Nun hat man auch im Bankenviertel von Frankfurt am Main festgestellt, dass die Wirtschaft in Berlin boomt. Für Mieter ist das keine gute Nachricht.

Deutsche Bank Research, die Analyseabteilung des Instituts aus Frankfurt am Main, holt in einem am Dienstag verschickten Bericht zunächst historisch ziemlich weit aus: Nur „schwerfällig“ habe Berlin nach der Wiedervereinigung „marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen adaptiert“, heißt es in einer Zusammenfassung. Nicht nur Ost-Berlin habe einen radikalen Wandel vollziehen müssen, sondern auch West-Berlin aufgrund der bis dahin üppigen Subventionen.

Den etwas älteren Berlinern kommt diese Geschichte so oder ähnlich bekannt vor - wenn sie diese Story in dieser Klarheit so auch schon länger nicht mehr gelesen haben dürften. Doch diese erzählerische Rolle rückwärts ist wohl nötig, da die Adressaten der Deutsche-Bank-Analyse in erster Linie nicht Bewohner der Hauptstadt sind, sondern Investoren aus aller Welt, die von der Bank heiße Anlegertipps erwarten.

„Jetzt beginnt sich abzuzeichnen, dass Berlin nicht nur zu westdeutschen Metropolen aufschließt, sondern auf dem Weg ist, diese zu überholen“, schreibt Analyst Jochen Möbert fast so, als habe er die Information von der landeseigenen Standortagentur Berlin Partner bekommen. Oder von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne)? Gerade der Jobaufbau in Zukunftsbranchen spreche für die Entstehung einer "Innovationshochburg Berlin". Auch das klingt stark. „Diese Entwicklung stellt eine exzellente Basis für den Wohnungsmarkt dar“. Man erwarte auch zukünftig einen „lang anhaltenden Hauspreiszyklus.“ Spätestens da dürfte der Bericht jedem Berliner, der als Mieter nicht von dem Aufschwung auf dem Immobilienmarkt profitiert, eher auf die Stimmung drücken.

Die Preise für Berliner Reihenhäuser im Bestand hätten dank einer Steigerung von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein neues Allzeithoch erreicht, heißt es in der Analyse weiter. Diese Häuser würden nun deutlich über 300.000 Euro kosten. „Trotz dieses kräftigen Anstiegs, der auch deutlich stärker als in den meisten anderen deutschen Metropolen war, bleibt das Niveau der Berliner Hauspreise relativ niedrig“, lautet das Urteil.

Reihenhäuser sind in anderen Städten 50 Prozent teurer  

So koste ein Reihenhaus im Bestand in den westlichen Metropolen (A-Städte) heute (im Gesamtjahr 2018) rund 50 Prozent mehr als in Berlin, im Jahr 2009 kosteten die West-Häuser dagegen nur 30 Prozent mehr und in den 1990er Jahren sei das Verhältnis noch nahezu ausgeglichen. Ebenfalls kräftig mit mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr legten die neuen Reihenhäuser zu, die Preise für Einfamilienhäuser erhöhten sich demnach „nur“ um fünf Prozent. „Berliner Einfamilienhäuser kosten knapp die Hälfte der Einfamilienhäuser in den westlichen Metropolen“, fasst der Analyst zusammen.

Auch der Deutsche-Bank-Fachmann hat registriert, dass es teurer geworden ist in der Hauptstadt. Berlin sei bei Wohnungen im Bestand mittlerweile die elftteuerste deutsche Stadt (im Jahr zuvor noch auf Rang 15) und mit Quadratmeterpreisen außerhalb der Innenstadt von 3600 Euro sogar die zwanzigstteuerste Stadt in Europa. Hier verweist der Analyst auf Daten spezieller Immobiliendienstleister.

Diagnose: Es wird zu wenig gebaut

Auch in Berlin resultiere die starke Preisdynamik aus einer hohen Anzahl fehlender Wohnungen, schreibt der Analyst weiter. Oftmals wird der Mangel an Bauland als einer der Hauptgründe für den Wohnungsmangel angeführt. Aber auch in Berlin ist der Mangel an Arbeitskräften ein bedeutendes Problem. Im Jahr 2017 (letzter verfügbarer Wert) seien 15.700 Wohnungen und damit 0,8 Prozent des Wohnungsbestandes erneuert worden. „Angesichts des Zuwachses der geleisteten Arbeitsstunden sind die Fertigstellungen im Jahr 2018 wohl auf über 16.000 Wohnungen bzw. 0,9 Prozent des Wohnbestandes angestiegen und damit nur ein Bruchteil dessen, was angesichts des Einwohnerwachstums nötig wäre.

Auch auf die Entwicklung der Mieten geht Analyst Möbert ein, erklärt, dass die jährlichen Mietsteigerungen auf „nur noch“ drei Prozent zurückgegangen seien (eher schlechte Neuigkeiten für Investoren), während im Jahr 2016 noch Zuwächse von sieben Prozent und im Jahr 2017 ein Sprung um elf Prozent zu verzeichnen gewesen sei. „Bis auf den Rückgang der Mietdynamik sprechen weiterhin viele Faktoren für einen Berliner Superzyklus, der weit über das Jahr 2020 andauern könnte“, lautet ein Fazit.

„Berliner Wohnungen könnten im Zuge dieser Entwicklung dazu beitragen, dass Berlin zu einer der teuersten deutschen und auch europäischen Metropolen wird – und die Stadt entwickelt sich zudem zu einer der innovativsten Städte Europas. Der Slogan aus dem Jahr 2003 des ehemaligen Berliner Bürgermeisters Wowereit „arm, aber sexy“ könnte also bald durch „reich und innovativ“ abgelöst werden.“

Der Boom habe natürlich auch eine Schattenseite, sagt Analyst Jochen Möbert dem Tagesspiegel am Telefon. Er sehe schon, dass nicht jeder von diesem Aufschwung profitiere. Sein Job sei es, Fakten zusammenzutragen. Und da sei er bei der Recherche von Frankfurt aus schon erstaunt gewesen, wie gut Berlin aufgestellt sei – zum Beispiel bei den Universitäten.

Hier geht es zu unserem Daten-Projekt "Wem gehört Berlin". Und hier lesen Sie weitere Immobilienthemen im Tagesspiegel. Hier finden Sie eine juristische Analyse zur Debatte um Rückkauf von Wohnungen durch das Land Berlin

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