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Berlin: In Berlin lebt jedes vierte Kind in Armut

Ein „Kinderzuschlag“ soll die Lage verbessern – besonders für allein Erziehende und Ausländer

In Berlin ist das Risiko, als Kind in einem armen Haushalt aufzuwachsen, größer als im Bundesdurchschnitt. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes lebt hier mehr als jedes vierte Kind unterhalb der Armutsgrenze, bundesweit ist nach dem gestern vorgelegten Bericht des Kinderhilfswerks jedes siebte Kind betroffen. Bei Kindern unter drei Jahren ist der Anteil mit 31,4 Prozent am höchsten. Als arm gilt ein Haushalt, der weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. In Berlin liegt die Armutsgrenze für einen Drei-Personen-Haushalt bei 1333 Euro.

Als prekär beurteilt der Sozialwissenschaftler Sigmar Gude vom Stadtplanungsinstitut Topos die Lage der ausländischen Kinder. Bei ihnen liege der Anteil bei rund 40 Prozent. Gude geht davon aus, dass sich die Situation verschärfen wird. „Dann ist bald jedes zweite Kind in dieser Gruppe von Armut betroffen“, sagt Gude. Für die Kinder hat der mangelnde Wohlstand weit reichende Folgen: Studien zeigen, dass die gesundheitlichen Risiken größer sind. Beispielsweise haben arme Kinder öfter Karies und leiden wegen schlechter Ernährung an Übergewicht. Auch der Zugang zu besserer Bildung ist schwerer für sie.

Ursächlich für die Armut in der Stadt ist die hohe Arbeitslosigkeit. Die Quote lag im letzten Monat bei 17 Prozent. Die meisten armen Familien leben in Kreuzberg/Friedrichshain, Mitte und Neukölln. Für Familien erhöht sich mit der Zahl der Kinder die Gefahr, in die Armut abzurutschen. Über die Hälfte der Familien mit mehr als drei Kindern gelten als arm. Insgesamt erhalten 51 000 Haushalte mit Kindern Sozialhilfe, betroffen sind davon mehr als 90 000 Kinder. Mehr als die Hälfte dieser Kinder lebt in einem Haushalt mit einer allein erziehenden Mutter. Für diese Gruppe wird sich nach Einschätzung von Sozialwissenschaftler Gude die Situation ein wenig verbessern, wenn sich durch Arbeitslosengeld II das Haushaltseinkommen leicht erhöht.

Nicht nur arbeitslose Familien sind auf Sozialhilfe angewiesen. Es gibt auch Haushalte, in denen das Arbeitseinkommen zwar für die Erwachsenen reicht, aber nicht für die Kinder. Die Geringverdiener will die Bundesregierung mit dem „Kinderzuschlag“ von der Sozialhilfe unabhängig machen. Dieser Zuschlag in Höhe von bis zu 140 Euro soll ab 2005 bis zu drei Jahren neben dem üblichen Kindergeld gezahlt werden. 11 000 Berliner Haushalte beziehen trotz Arbeit Sozialhilfe.

Anträge können seit einigen Wochen bei den Arbeitsagenturen gestellt werden. Bisher wurde davon kaum Gebrauch gemacht, sagt der Sprecher der Regionaldirektion für Arbeit, Olaf Möller. Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner nennt den Kinderzuschlag „eine wichtige familienpolitische Leistung“. Sie kritisiert, dass das Geld nur befristet gezahlt wird. Wenn Familien sich trotz Arbeit nicht finanzieren können, zeige dies, dass „die Ausweitung des Niedriglohnsektors die sozialen Probleme unseres Landes nicht lösen kann“, sagte Knake-Werner.

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