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Berlin: In Gedanken dabei

150 Freunde kamen zum Geburtstagsempfang für Johannes Rau ins Bellevue – nur der kranke Altbundespräsident musste kurzfristig absagen

Natürlich war er irgendwie doch dabei. Zwar konnte Johannes Rau nicht persönlich erscheinen bei dem Empfang, den Bundespräsident Horst Köhler an seinem 75. Geburtstag für ihn und 150 Freunde und Weggefährten gab. Seine Tagesform im gesundheitlichen Auf und Ab der letzten anderthalb Jahre ließ es schlicht nicht zu, wie seine Tochter Anna in einer viel gelobten, ganz kurzen und ganz charmanten Rede sagte. So sei sie nun mit ihren Geschwistern Philipp und Laura gekommen, „um die Segenswünsche der Anwesenden entgegenzunehmen und zu übermitteln“. Und Horst Köhler versicherte, dass alles auf Tonband aufgenommen werde, damit sein Vorgänger und dessen Frau Christina die Zeremonie doch noch verfolgen könnten.

Erst zwei Stunden vor Beginn des Empfangs war die endgültige Absage gekommen, und die meisten Gäste wussten natürlich, dass es der von einer schweren Operation noch geschwächte Johannes Rau selbst am meisten bedauerte, nicht alle begrüßen zu können. Frank Peter Zimmermann zum Beispiel, der eine Sonate von Bach spielte, auf einer Stradivari aus dem Jahr 1711. Rau war einer der frühesten Fans des Violinisten aus Duisburg. Während Zimmermann zusammen mit seinem Sohn Serge einen spanischen Tanz spielte, war der Gefeierte in manchen Gedanken ganz sicher dabei, denn natürlich birgt der große Saal im Schloss Bellevue unter dem neuen Anstrich viele Erinnerungen an denjenigen Bundespräsidenten, der wie kein anderer bewiesen hat, dass die Würde des Amtes keinen Schaden nimmt, wenn sie mit Fröhlichkeit und Volkstümlichkeit und unversteckter menschlicher Wärme verbunden wird, sondern dass ein solcher Ansatz diese Würde sogar noch illuminiert.

Raus phänomenales Gedächtnis, was Menschen und die Begegnungen mit ihnen betrifft, hob Horst Köhler in seiner Geburtstagsansprache hervor. Er erwähnte dessen Bibelfestigkeit, die Überzeugung, dass keine Partei das Christliche gepachtet habe, die Weggemeinschaft mit Gustav Heinemann und nannte im Schnelldurchlauf die wichtigsten Stationen einer politischen Ausnahmekarriere vom jüngsten Oberbürgermeister Wuppertals über eine zwanzigjährige Zeit als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens bis zum Amt des Bundespräsidenten. Raus Lebensmotto „Ich halte stand, weil ich gehalten werde“ kam ebenso vor wie dessen außergewöhnliches Talent, „Brücken zu bauen statt Gräben zu ziehen“. Köhler würdigte „fast ein halbes Jahrhundert des Vertrauens“, das die Deutschen Rau entgegengebracht haben, und dankte seinem Vorgänger für alles, was er für dieses Land getan hat.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, lauschte in der ersten Reihe, auch Franz Müntefering, der ebenfalls gestern Geburtstag feierte, war gekommen, außerdem der frühere Chef des Bundespräsidialamts Rüdiger Frohn und die Moderatorin Sandra Maischberger. Die Politiker Wolfgang Thierse, Manfred Stolpe, Wolfgang Clement, Klaus Schütz, Walter Momper und Henning Scherf, der evangelische Bischof Wolfgang Huber und Walter Scheel plauderten im Anschluss an das Konzert bei Wein und Canapés noch miteinander. Die Kinder von Johannes und Christina Rau nahmen unentwegt gute Wünsche entgegen und versprachen immer wieder, zu Hause alles ganz genau zu erzählen.

Irgendwie war er also doch dabei, aber seine berühmten Anekdoten fehlten natürlich sehr. Zum Beispiel die von der Gnade Gottes, der man nicht zu enge Grenzen setzen soll, indem man jemandem zum Geburtstag wünscht, dass er 100 Jahre alt werden möge.

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