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Berlin: Influenza?: Täglich 150 Röhrchen: Ist es Grippe?

Brunhilde Schweiger sitzt am Nordufer und hält nach der nächsten Grippewelle Ausschau. Noch kann sie am Horizont nur Ausläufer des Sogs der Festtage ausmachen.

Brunhilde Schweiger sitzt am Nordufer und hält nach der nächsten Grippewelle Ausschau. Noch kann sie am Horizont nur Ausläufer des Sogs der Festtage ausmachen. Ein Netz von niedergelassenen Ärzten sendet dem Robert-Koch-Institut (RKI) täglich Wasserstandsmeldungen über Grippe-Verdachtsfälle. Und über Weihnachten und Neujahr war einiges aufgelaufen. Die Biologin lächelt. Solche Wortspiele seien ja ganz lustig, nicht aber die alljährliche "Panikmache". Grippe-"Epidemie" könne man nur eine Situation wie 1995/96 nennen, als bundesweit 30 000 Menschen an den Folgen der Influenza starben. Gegenwärtig gebe es allenfalls eine "leicht gesteigerte Aktivität" der Grippeviren, sagt Schweiger.

Der Paketservice liefert beim RKI am Weddinger Nordufer täglich bis zu 150 Röhrchen mit Rachenabstrichen aus der halben Republik ab. Wenn Brunhild Schweiger und ihre Mitarbeiter die Schraubverschlüsse geöffnet haben, beginnt eine lange Testreihe: Ein Schnelltest bringt den Nachweis, ob es überhaupt ein Grippevirus war, das den Patienten fiebern, husten und schniefen und an Kopf- und Muskelschmerzen leiden ließ. Das Ergebnis wird am nächsten Tag an den Arzt weitergeleitet. Parallel zum Schnelltest wird das infektiöse Material auf verschiedene Zellkulturen aufgebracht, um das Virus für weitere serologische und molekularbiologische Analysen anzuzüchten. Die Biologen tragen weiße Kittel und arbeiten an speziell geschützten Anlagen: Ein Luftstrom sorgt dafür, dass sie das Influenza-Virus nicht inhalieren können und selber keine Keime auf die Zellkulturen abgeben.

Als vor zwei Jahren Anfang Januar der Impfstoff in Deutschland knapp wurde, war eine angebliche Epidemie in England Schuld. "Wenn im Fernsehen gezeigt wird, dass Schwerkranke dort auf den Gängen liegen, ist es doch klar, wie die Zuschauer hier reagieren", sagt Schweiger. Sie rennen zum Arzt, um sich impfen zu lassen. Im Falle einer echten Epidemie käme der Schutz dann mit großer Wahrscheinlichkeit zu spät. Der volle Schutz greift erst nach zwei Wochen.

Das Robert-Koch-Institut ist eines von zwei Referenzlabors in Deutschland, die Grippeviren erkennen und mit verschiedenen Verfahren so genau charakterisieren, dass der Impfstoff für die jeweils nächste Grippesaison bestimmt werden kann. Im Winter 2000/2001 werden Aktivitäten verschiedener Virustypen erwartet: Typ A mit den Subtypen Moskau und New Caledonia und der Yamanashi vom Typ B.

Benannt sind sie nicht nach dem Ort, an dem eine Epidemie ausbrach, sondern nach dem Ort, an dem Virenforscher sie isolierten, betont Brunhilde Schweiger. Der Impfstoff der Saison, der stets im September auf den Markt kommt, bewirke die Bildung von Antikörpern gegen die zu erwartenden Virentypen.

Weil das Genmaterial der Grippeviren von Jahr zu Jahr mehr oder weniger stark mutiert, sollten sich die so genannten Risikogruppen zwischen September und November jährlich neu impfen lassen: Menschen ab 60 Jahren und solche, die unter chronischen Atemwegserkrankungen leiden, Herz-, Aids- oder Diabetespatienten und Personen, die täglich mit vielen Menschen in Kontakt kommen. Auch jetzt ist es noch nicht zu spät. Gestern meldete auch der Apotheker-Verband: Es sei genügend Impfstoff da. Wer sich jetzt noch impfen lasse, habe eine reelle Chance, nicht zu erkranken.

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