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Die Macher der Initiative "Hipster Antifa Neukölln" möchten anonym bleiben.

© Mike Wolff

Initiativen gegen Fremdenhass: Mein Freund ist Tourist

Immer nur auf Bio-Märkte und Schwaben schimpfen? Wie öde. Zwei Berliner Initiativen wehren sich und dokumentieren Übergriffe auf Personen, Läden und Cafés, die vom Hass auf vermeintliche Gentrifizierer zeugen.

Mit der Rikscha durch den Görlitzer Park? Keine gute Idee. Als ein Rikschafahrer zwei Frauen durch den Kreuzberger Park fuhr, wurden sie angepöbelt und verfolgt mit den Worten: „Scheiß Touris, das ist unser Park. Verpisst euch von hier.“ Zuletzt warfen die Angreifer mit Flaschen. Dabei waren die zwei im Anhänger Freundinnen des Rikschafahrers, er wollte sie nach Hause fahren. Jonas erzählt die Geschichte, er ist mit dem Rikschafahrer befreundet. Jannek fügt die Episode über den jungen Mann hinzu, der in der M 10 als Zugezogener beschimpft und geschlagen wurde. Es gibt viele Beispiele für Fremdenhass in Berlin.

Jonas, 25, Jannek, 30, und Markus, 29, beschlossen vor einigen Monaten gemeinsam mit Freunden, dass sie diese Feindbilder, die von Touristen über Schwaben zu Hipstern reichen, nicht mehr hinnehmen wollen. Im Mai gründeten sie die Initiative „Hipster Antifa Neukölln“. Sie arbeiten vor allem auf Facebook und dokumentieren dort Übergriffe auf Personen, Läden und Cafés sowie Graffiti an den Wänden, die vom Hass auf die vermeintlichen Gentrifizierer zeugen.

Dafür haben sie sich einen interessanten Slogan zugelegt: „Für die Aufwertung der Kieze – für mehr Bars, Soja-Latte, Wifi und Bio-Märkte!“ Sie benutzen Pseudonyme, weil sie anonym bleiben wollen. Zwar fragen sie sich, was an einem neu eröffneten Bioladen so schlimm ist, doch tatsächlich wollen sie in ihren Kiezen in Friedrichshain und Neukölln gar nichts verändern. Außer eben eine Haltung bekämpfen, die viel mit Fremdenfeindlichkeit zu tun hat. Dass sie damit einen Nerv treffen, zeigt sich daran, dass sich unabhängig von ihnen eine andere Gruppe des Touristenhasses angenommen hat. Die antikapitalistische Initiative „Andere Zustände ermöglichen“ (AZE) hängt neuerdings ihre grünen „Spot the Touri“-Plakate in Szenestadtteilen wie Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain auf. Darauf heißt es: „Gesucht: Der offizielle Sündenbock für hohe Mieten, laute Feierei und Mangel an Deutschtum“.

An einer neuen Bar in Neukölln hat jemand ein Fadenkreuz mit dem Spruch „Go Home“ gesprüht, erzählt Markus. Er schaudert. Freunde von ihm aus Australien und Spanien trauen sich auf der Straße oft nicht, jemanden anzusprechen. Sie rechnen mit Vorurteilen, sobald kein Deutsch gesprochen wird. Die drei Freunde von der Hipster Antifa merken schon länger, „dass sich da was zusammenbraut“. Sie fingen an, die Graffiti zu fotografieren und teilten sie privat über Facebook. Im Mai gründeten sie ihre öffentliche Facebook-Seite, mit inzwischen mehr als 1700 Gefällt-mir-Angaben – und viel Kritik und Anfeindungen. Doch die Provokation hat sich gelohnt, sie bringt Aufmerksamkeit. Besonders der linken Szene, aus der Jonas, Jannek und Markus selbst kommen, wollen sie einen Spiegel vorhalten. Zwar finde sich der Fremdenhass überall in der Gesellschaft, doch gerade die Linke müsste es doch besser wissen, sagen sie, schließlich wolle sie weltoffen sein.

Alex, 30, und Lorenz, 31, von „Andere Zustände ermöglichen“ sind fest in der linken Szene verwurzelt. Mit ihrer Initiative kümmern sie sich vor allem um das Thema Mietsteigerungen und Verdrängung. Um diesen Problemen wirklich auf den Grund zu kommen, möchten sie mit falschen Schuldzuweisungen, besonders gegenüber Touristen, aufräumen. Schuld sei eigentlich „die kapitalistische Verwertungslogik der Stadt“. Zu abstrakt? Eben das sei das Problem, sagt Alex. „Es ist eine abstrakte Logik – es ist einfacher zu sagen, die bösen Touris, die bösen Schwaben sind schuld.“ Dabei sei es keine Entweder-oder-Frage, ob nun ein Luxushotel oder eine Sozialwohnung gebaut werde. Doch die Stadt kümmere sich immer weniger um die eigenen Bewohner. Auch in ihrer eigenen Szene wollen die beiden von AZE aufklären. Bewegungsfreiheit und freie Grenzen seien ja gerade ein Thema der Linken, sagt Alex. „Bei Touristen hört die Bewegungsfreiheit anscheinend auf.“

Die Mitstreiter von der Hipster Antifa und von AZE haben einander schon gemailt. Eine Zusammenarbeit schließen sie nicht aus. Beide wollen einer Atmosphäre ein Ende machen, in der es okay ist, gegen Touristen, Hipster und Yuppies zu hetzen. Denn hier wird eine Frage der Lebensführung zu einer politischen Frage erhoben. Für Jonas von der Hipster Antifa war deshalb ein Graffiti besonders besorgniserregend: „Gays, Nazis & Hipsters fuck off“.

Am Donnerstag, 9. August, veranstaltet die Initiative „Andere Zustände ermöglichen“ ab 20 Uhr eine offene Diskussionsveranstaltung zu „Spot the Touri“ in der Kneipe „B-Lage“, Mareschstr. 1, in Neukölln. www.aze.blogsport.de, www.hipster-antifa.com

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