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Ein Junge beim Schwimmunterricht.

© Kai-Uwe Heinrich (Archiv)

Knappe Kassen in Berlin: Inklusionsschule in Westend verliert ihr Schwimmbad

In einer Schule in Westend lernen hörgeschädigte und gehörlose Kinder schwimmen. Doch im Sommer schließt das Bad - dem Bezirk ist die Sanierung zu teuer.

Gut, mit einem sehr großen Teppich könnte man die ganze Wasserfläche abdecken. Acht Meter breit, zwölf Meter lang, beeindruckend ist das nicht für ein Schwimmbad. Aber der Boden ist absenkbar, von 30 Zentimeter bis auf 1,70 Meter, und warm ist das Wasser zudem. Das Bad der Reinfelder-Schule im Eichkamp ist ja auch nicht für Spitzenschwimmer gedacht, in der überdimensionalen Badewanne lernen stattdessen Kinder schwimmen. Dafür ist es optimal.

Aber jetzt steht die Mini-Badeanstalt für das Dilemma, das Berlin beim Thema Schwimmen hat. Einerseits können sich berlinweit 18,8 Prozent aller Schüler nach der dritten Klasse nicht allein über Wasser halten, benötigen also dringend Unterricht. Andererseits aber werden Bäder geschlossen. Am 31. Juli trifft’s die Reinfelder-Schule in Westend. Das Bad müsste saniert werden für rund 700 000 Euro, der Bezirk hat aber kein Geld.

Zurück bleiben empörte Väter wie Frank Hätscher; sein Kind geht auf die Schule. Und weil er auch noch Vorsitzender der Gesamt-Elternvertretung der Schule ist, tritt er zugleich als Sprachrohr zorniger Eltern auf und koordiniert den Widerstand gegen die Schließung. Denn Opfer der Schließung werden auch besonders hilfsbedürftige Kinder. Genau genommen ist das Bad ein Reha-Bad, damit also besonders geeignet für eine bestimmte Gruppe der Reinfelder-Schule: hörgeschädigte Kinder, die teilweise sogar noch weitere Einschränkungen haben. Sie sitzen in der Schule neben Kindern ohne Behinderung. Zudem nutzen auch Schüler der benachbarten Ernst- Adolf-Eschke-Schule, einer Schule ausschließlich für Gehörlose, das Becken.

Die Erst- und Zweitklässler lernen in dem Mini-Becken Schwimmen, genauer: Sie werden ans Schwimmen herangeführt. „Bei Kindern mit Handicap dauert das natürlich länger“, sagt Hätscher. Absenkbarer Boden, warmes Wasser, ideale Bedingungen für solche Kinder. „Die bekommen keine Panik mehr, sie verlieren die Angst vor dem Wasser und entwickeln generell Selbstbewusstsein.“ Im Drei-Wochen-Rhythmus steigen alle Erst- und Zweitklässler der Schule ins Wasser.

Das morgendliche Schwimmen ist ein Zusatzangebot - und damit streichbar

Der Unterricht in Badehose ist für Erst- und Zweitklässler aber nicht vorgesehen, Schwimmen steht im Lehrplan erst ab Klasse drei. Was in dem Becken morgens abläuft, ist ein Zusatzangebot, und deshalb haben die Schüler zu Hätschers Ärger keinen Anspruch darauf. Der Sonderunterricht wird ersatzlos gestrichen. Schwimmen wird dann für alle Schüler nur noch im Bad an der Krummen Straße unterrichtet, ab Klasse drei.

Aber wenn Schüler mit Behinderung erst als Drittklässler ins Becken steigen, empfinden sie das als Problem, vielleicht sogar als Horror. „Das Bad an der Krummen Straße hat eine 50-Meter-Bahn, es ist laut, gerade für Gehörgeschädigte ist das schwierig. Zudem hat man ihnen die Angst vor dem Wasser nicht genommen“, sagt Hätscher. Er möchte, dass die Halle saniert und dann wieder in Betrieb genommen wird.

Bezirk: "Das Bad steht in der Prioritätenliste nicht ganz oben"

Es sind ja auch nicht nur die Schüler der Reinfelder- und der Eschke-Schule betroffen. Nachmittags hat eine Schwimmschule das Becken gemietet, Hunderte von Kindern haben dort, privat finanziert, Schwimmen gelernt. Die Schwimmschule muss einen Alternativstandort suchen, doch der ist schwer zu finden. Und damit dürfte ab August die Zahl jener Kinder sinken, die Schwimmen lernen.

Beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf kennt man die Argumente. Aber ein hochrangiger Mitarbeiter sagt: „Das Bad steht in der Prioritätenliste nicht ganz oben.“ Mag ja sein, dass Eltern der Schule sauer sind. „Aber wenn wir 700 000 Euro ins Bad investieren, stehen hier andere Eltern, die sauer sind, weil die Toiletten der Schulen ihrer Kinder nicht saniert werden.“ Für alle Immobilien des Bezirks stünden pro Jahr lediglich sechs Millionen Euro zur Verfügung. Außerdem, dass das Bad im Sommer 2015 geschlossen werde, habe die zuständige Abteilungsleiterin schon vor zwei Jahren entschieden und verkündet. „Es ist ja nicht so, dass über Nacht das Ende mitgeteilt wird.“

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