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Berlin: Irgendwie unwirklich

Tagesspiegel-Leser waren auf Besichtigungstour im Kanzleramt. Und dann schaute noch schnell Gerhard Schröder vorbei

Der Weg zum Kanzler führt an dicken Spinnweben vorbei. Vor den Fenstern des Kontrollhäuschens vibrieren sie im Wind, während drinnen 20 Tagesspiegel-Leser durchleuchtet werden, als wären sie auf dem Flughafen. Sie hatten bei der Tagesspiegel-Verlosung vom vergangenen Sonntag gewonnen: eine exklusive Führung durchs Kanzleramt – ohne Anstehen, dafür mit einer Überraschung.

Ein freundlicher Mann eilt herbei, „mein Name ist Mertens“, und bittet in den Ehrenhof vor dem Hauptportal. Mit seiner großen, runden, schwarzen Brille und dem Drei-Tage-Haarschnitt sieht Herr Mertens wie ein Künstler aus. Er wird die Tagesspiegel-Leser führen, die erwartungsfroh in der Morgensonne stehen und das Gebäude hinaufschauen, das aus der Nähe viel höher wirkt als vom Zaun aus. Herr Mertens erzählt vom Band des Bundes, vom Großen und vom Kleinen Protokoll, deutet auf die 50-Quadratmeter-Wohnung des Kanzlers oben im achten Stock und zeigt, wo bei Staatsbesuchen die Ehrenkompanie antritt: genau hier, wo die Gruppe steht.

Durch eine Rundtür wie im Kaufhaus tritt man ins Foyer. „Ist ja riesig“, staunt Heike Sellenthin. In den Wänden sitzen Lüftungsdüsen wie überdimensionierte Augäpfel. Seitlich fällt Tageslicht durch Schächte vom Dach bis ins Parterre, zwischen den Übergängen zum Bürotrakt grünen Wintergartenbäumchen, die zugleich das Klima regulieren. Herr Mertens holt den – ebenfalls runden – Fahrstuhl: „Wir fahren dann erst mal zum Fototermin mit dem Kanzler.“

Die Begegnung mit Gerhard Schröder ist das Bonbon. Als Herr Mertens dies auf dem Ehrenhof eher beiläufig ankündigte, ging ein Raunen durch die Gruppe, und manche griffen sich spontan ins Haar, um dessen korrekten Sitz zu prüfen. Jetzt gibt die Fahrstuhltür den atemberaubenden Blick aus der siebten Etage über Kanzlergarten und Regierungsviertel frei. Die wiederum runden Treppen hier oben bilden ein kleines, lichtdurchflutetes Amphitheater. Gegenüber erscheint, leibhaftig, der Kanzler. Dunkelblaue Krawatte, eher kompakt als groß, aber beeindruckend qua Amt. Forschen Schrittes geht Gerhard Schröder zur Treppe, ruft freundlich „Hallo!“, stellt sich vorn in die Mitte zwischen die Tagesspiegel-Leser. Es klickt und blitzt, dann verabschiedet sich der Kanzler: „Viel Spaß noch – und alles Gute!“ „Ihnen auch alles Gute“, rufen ihm zwei, drei Gäste halblaut hinterher, aber da ist er schon fast wieder in seinem Büro. „War irgendwie unwirklich“, resümiert beeindruckt Karin Ziech, die zuvor versichert hatte, dass sie mit ihren 61 Jahren angesichts des Kanzlers nicht mehr aufgeregt sei: „Aus dem Alter bin ich raus.“ Von der „Sky-Lobby“ geht es auf den Balkon. Michael Pawlik lehnt am Geländer und sagt: „Gestern hab ich auf Phönix gesehen, wie der Schröder dem Blair von hier die Stadt zeigt. Und heute stehe ich selber hier.“

Herr Mertens lotst die Gruppe durch ein Sekretariat mit Brockhaus und Rohrpost im Regal zum Kabinettszimmer, von dem man über 1300 Quadratmeter Solarzellen auf den Tiergarten blickt. An wandhohen Gemälden vorbei geht es wieder nach unten. Kurzer Zwischenstopp am Rednerpult vor der blauen Wand mit dem Bundesadler. Hier darf jeder mal kurz Kanzler spielen, bevor sich Herr Mertens verabschiedet.

Am Eingang dreht sich Michael Pawlik noch einmal um: „Ich fand es sehr schön modern. Es hat etwas Zukunftsmäßiges, das ist gut.“

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