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Die Munition verletzte den Mann unterhalb der linken Achsel und im Bereich des Brustkorbes, anschließend die Frau am linken Oberarm.

© Fotolia/ Schlierner

Strafprozess am Landgericht Nauen: Jagdschütze steht nach tödlichem Unfall vor Gericht

Er wollte ein Wildschwein erlegen. Der Schuss tötete jedoch einen Mann und verletzte eine Frau. In Nauen steht jetzt der Schütze vor Gericht.

Es war warm und windstill, als am 9. September 2015 gegen 20 Uhr im Jagdgebiet Tietzow ein Schuss fiel. Er wurde von Alexander R. abgegeben und galt einem Wildschwein, traf jedoch den 31-jährigen Norman G. und seine 23-jährige Begleiterin Katarzyna K. Die beiden hatten sich in der Dämmerung am Rande eines Feldweges niedergelassen, tranken Bier und hörten Musik. Die Munition verletzte den Mann unterhalb der linken Achsel und im Bereich des Brustkorbes, anschließend die Frau am linken Oberarm. Norman G. verblutete noch am Tatort.
Der Hergang des tragischen Unfalls wird nun am Nauener Amtsgericht rekonstruiert. Sichtlich erschüttert saß dort der 32-jährige Schütze, ein selbständiger Unternehmer und zweifacher Familienvater. Über seinen Anwalt berichtete er von einem Wildschwein, dass er zuvor auf seinem Weg aus dem nahegelegenen Maisfeld beobachtet hatte. Daraufhin habe er den Baum, an dem sich das Tier zu reiben pflegt, mit angeklebten Maiskörnern präpariert. Menschen habe er in dieser Gegend nie zuvor gesehen.

Ein Gewehr mit Zielfernrohr, ein Fernglas um den Hals

R. trug ein Gewehr mit Zielfernrohr bei sich, ein Fernglas hing ihm um den Hals, als er sich zu Fuß auf der rechten Seite des Weges zu seinem Hochsitz begeben wollte. Plötzlich hörte er ein Rascheln, habe auch ein Wiegen im Maisfeld und kurz darauf eine etwa 75 Zentimeter große Sau durchs Fernglas gesehen. „Sie blieb kurz stehen, wackelte mit den Tellern, also mit ihren Ohren.“ Als das Schwein weiterlief, habe er auf dessen Haupt und Brust gezielt - nachdem er sich von dem freien Schussfeld überzeugt hätte.

„Ich habe einen weiblichen Schrei gehört“, so der Verteidiger für R. Sofort fuhr er in die Richtung, wo der Schrei herkam. „Ich sah eine männliche Person, die schwer atmete.“ Der Schütze rief die Feuerwehr, wies Arzt und Sanitätern den Weg. Noch in derselben Nacht wurden erste Spuren gesichert und der völlig schockierte R. vernommen. Er sagte, dass sich das von ihm anvisierte Ziel zwanzig Meter hinter seinem Opfer befunden hätte. Der Unfall sei ihm völlig unerklärlich.

Klarheit soll der Vortrag eines Sachverständigen bringen

Auch Katarzyna K., die damals als Saisonarbeiterin in einer nahegelegenen Champignonzucht beschäftigt war und sich mit ihrem Kollegen Norman über Monate hinweg angefreundet hatte, begreift nicht, wie man einen fast zwei Meter großen Mann, der am Rande eines Feldweges auf einer hellen, orangefarbenen Decke gesessen hatte und sie selbst in ihrer „blutroten“ Jacke einfach übersehen konnte. Doch so unerklärlich scheint die Sache nicht zu sein. Ein Kriminaltechniker hatte die Situation mit Kollegen bei gleichen Sicht- und Witterungsbedingungen geprüft. Falls der Angeklagte auf der rechten Seite des Weges gelaufen sei, muss das tiefhängende Blattwerk einer Birke die Sicht auf die im 30 bis 50 Zentimeter hohen Gras sitzenden Opfer versperrt haben. Problematisch könnte auch das Zielfernrohr sein: Es ist ein sehr hochwertiges Gerät, von Alexander R. wohl auf elffache Vergrößerung eingestellt. Es eignet sich gut für das Jagen in der Dämmerung, wie ein Schützenvereinsmitglied des Angeklagten dem Gericht erklärt.

„Das Licht wird gebündelt, aber im Dämmerlicht lässt die Randschärfe nach“, so der Zeuge. „Das Ziel sieht man sehr deutlich, aber alles was davor passiert, nicht mehr.“ Endgültige Klarheit verspricht sich das Gericht von einem Sachverständigen. Der wird seinen Vortrag am nächsten Montag halten. Dann soll auch das Urteil fallen.

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