zum Hauptinhalt
Gedenken: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller legte gemeinsam mit anderen Kränze nieder.

© B. v. Jutrczenka/dpa

Jahrestag des Mauerbaus: Ein Schnitt in das Herz der Stadt

Bei einer Andacht in der Kapelle der Versöhnung ist dem Bau der Berliner Mauer vor 58 Jahren gedacht worden.

„Berlin ist zerrissen worden“, sagt Jörg Hildebrandt, Publizist und Mitbegründer des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB). Als Sohn des Pfarrers der Versöhnungskirche lebte er in der Bernauer Straße. Genau dort, wo er seine spätere Frau Regine Hildebrandt, die 2001 verstorbene SPD-Politikerin Regine Hildebrandt, kennenlernte, wo heute die Kapelle der Versöhnung steht und die zentrale Gedenkveranstaltung für die Opfer von Mauer und Teilung zum 58. Jahrestag des Mauerbaus stattfand. „Wieso waren wir so sorglos, wir hätten es wissen müssen, fürchten müssen“, schildert Hildebrandt die Gemütslage im Sommer 1961. Die Hoffnung, „wir sind eine Stadt, wir bleiben eine Stadt“, zerschlug sich am 13. August 1961. Zwei Tage später sah er die ersten Hohlblocksteine, Ende Oktober musste die Familie die Bernauer Straße, die im Grenzstreifen liegt, verlassen. Aber zuvor stellte Hildebrandt alle Turmuhren auf fünf vor zwölf, ein Symbol des Protestes gegen das SED-Regime.

Zum Ende seiner Ansprache appellierte Hildebrandt, Augen und Ohren weiter aufzusperren und standzuhalten, gegen heute unsichtbaren Mauern sowie geschlossene Gesellschaften, gegen Judenhass, Fremdenhetze und religiöse Fundamentalisten.

Pfarrer Thomas Jeutner entzündete während der Andacht eine Kerze für alle Mauertoten in der Kapelle und beschrieb „die Errichtung der Mauer als Schnitt in das Herz der Stadt“. Fast drei Jahrzehnte Jahre trennte dieser Schnitt die Stadt in zwei Teile. Familien wurden getrennt, Träume und Hoffnungen platzten, Menschen starben. „Dass es 28 Jahre bis zum Mauerfall dauerte, haben wir als großes Unheil empfunden“, sagte Jeutner. „Die Gewalt an der Grenze zerstörte viele Leben.“ In der Kapelle der Versöhnung, die auf dem Fundament der 1985 durch das SED-Regime gesprengten Versöhnungskirche steht und in deren Lehmwände Schutt der Versöhnungskirche mit eingebaut ist, „lebt die Erinnerung an die Namen und Schicksale der Maueropfer weiter“, sagte Jeutner. Zum Ende der Andacht lenkte auch Jeutner den Blick auf die heutige Zeit, auf das Thema Flucht. Er erinnerte an die Menschen, die vor den „heutigen Grenzen Europas“ ums Leben kommen, und berichtet von geflüchteten Menschen, denen die Gemeinde Kirchenasyl gewährt. „Die Geflüchteten berührt es, wenn sie die Berliner Mauer, Reste der Grenzanlagen und die Fotos von Überlebenden von Fluchten sehen“, sagte Jeutner. „Hier verschränkt sich die Geschichte.“

An der Andacht nahmen rund 150 Menschen teil, unter anderem Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sowie weitere Politiker, Vertreter von Opferverbänden, Zeitzeugen sowie Angehörige von Opfern und Schüler der Ernst-Reuter-Schule. Nach der Andacht legten Müller, weitere Politiker, Botschafter, Vertreter von Stiftungen und Opferverbänden Kränze an der Gedenkstätte Berliner Mauer nieder.

Tim Spark

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false