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Volksbegehren: Jeder Wähler soll fünf Stimmen bekommen

Die Initiative "Mehr Demokratie“ startet ein Volksbegehren für ein neues Wahlrecht.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Bürger in Hamburg und Bremen haben gezeigt, dass es geht. Jetzt soll Berlin folgen. Mit einem Volksbegehren will die bundesweit agierende Initiative „Mehr Demokratie“ ein neues Wahlrecht durchsetzen. Im März soll die Kampagne beginnen. Das wichtigste Ziel der Reform: Die Wähler sollen mehr Einfluss nehmen auf die Auswahl der Abgeordneten. Bisher setzen die Parteien den Bürgern ihre Kandidaten auf nicht veränderbaren Wahllisten vor die Nase.

An den Grundpfeilern des Berliner Wahlrechts will die Initiative nicht rütteln. Die Erststimme (im Wahlkreis) und die Zweitstimme (für eine Partei) sollen bleiben. Auch das Verhältniswahlrecht (Verteilung der Mandate nach dem Stärkeverhältnis der Parteien) wird nicht angetastet. Aber jetzt kommt’s: Jeder Wähler soll fünf Zweitstimmen erhalten, die er einer Partei geben oder auf verschiedene Parteien verteilen kann.

Außerdem soll die Reihenfolge der Kandidaten auf den Wahllisten veränderbar sein, indem der Wähler die Listenplätze anders nummeriert oder Namen von der Liste streicht (Präferenzwahl). Der Clou: Hat ein Kandidat bei der Wahlauszählung genügend Stimmen für sein Parlamentsmandat erreicht, werden die überschüssigen Stimmen auf die nachfolgenden Präferenzen verteilt. Dasselbe geschieht mit den Stimmen für Kandidaten, die keine Chance auf ein Mandat haben. Auf diese Weise gehen weniger Stimmen verloren als beim „normalen“ Wahlsystem.

Mit dem Volksbegehren soll auch die Wahl der Direktkandidaten reformiert werden. Bisher wird pro Wahlkreis nur ein Mandat vergeben, das der Kandidat mit den meisten Stimmen erhält. Stattdessen sollen in jedem der – dann deutlich größeren – Wahlkreise (im Zuschnitt der ehemals 23 Bezirke) drei bis sieben Mandate vergeben werden. Das vergrößert die Chancen für kleinere Parteien oder Einzelbewerber, ein Direktmandat zu gewinnen – aber das Abgeordnetenhaus soll dadurch nicht größer werden. Eine weitere, ungewöhnliche Idee für das neue Wahlrecht ist die sogenannte Ersatzstimme. Für den Fall, dass eine Partei an der Sperrklausel (zurzeit 5 Prozent für das Abgeordnetenhaus und 3 Prozent in den Bezirken) scheitert, werden die „verlorenen“ Wählerstimmen auf die anderen Parteien umverteilt.

Das System der fünf Parteistimmen und veränderbaren Listen soll nicht nur für die Wahl zum Abgeordnetenhaus, sondern auch für die Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) gelten. So könnte Berlin „Vorreiter für ein faires Wahlrecht werden, das den Bürgern echten Einfluss gibt“, hofft die Initiative „Mehr Demokratie“. In Bremen wurde 2006 mit einem Volksbegehren eine ähnliche Wahlrechtsreform durchgesetzt. Die Bremer Bürgerschaft übernahm „freiwillig“ den Gesetzesentwurf der Initiative. Der Volksentscheid wurde entbehrlich. Die nächste Wahl wird dort nach dem neuen Recht stattfinden.

In Hamburg gab es schon 2004 einen erfolgreichen Volksentscheid für ein neues Wahlrecht, das aber zwei Jahre später von der CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft großenteils rückgängig gemacht wurde. Trotzdem haben die Hamburger bei der Bürgerschaftswahl am 24. Februar je fünf Stimmen, die sie nach Belieben auf die Kandidaten verteilen können.

Neben dem Volksbegehren, mit dem ein neues Wahlgesetz in Berlin erzwungen werden soll, bereitet „Mehr Demokratie“ eine Volksinitiative vor. Ist sie erfolgreich, muss das Abgeordnetenhaus folgende Vorschläge zumindest beraten: Die Senkung der Sperrklausel fürs Landesparlament auf drei Prozent, Abschaffung der Klausel bei den BVV-Wahlen und das Wahlrecht zum Abgeordnetenhaus ab 16 Jahre. Zustimmung für eine gründliche Änderung des Wahlrechts ist in Berlin nur von den Grünen, teilweise von der Linken und der FDP zu erwarten. CDU und SPD wollen, dass alles bleibt wie es ist. 

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