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Berlin: Jetzt ruckt’s wieder

Roman Herzog präsentierte sein Buch mit frischen Rezepten für die Politik

Das Max-Liebermann-Haus klebt gewissermaßen am Brandenburger Tor. Dort stellte Altbundespräsident Roman Herzog gestern sein neues Buch vor: „Wie der Ruck gelingt“. In unmittelbarer Nähe, im Hotel Adlon, hielt er 1997 seine berühmte Ruck-Rede. Seitdem ist der Ruck sein Markenzeichen geworden. Erst kürzlich forderte er den Ruck für mehr Kinderfreudigkeit, schräg gegenüber in der Akademie der Künste.

Eigentlich wollte er das Buch erst im Frühjahr 2006 fertig haben, aber die vorgezogene Neuwahl hat auch seinen Zeitplan durcheinander gewirbelt. Ein Jahr nach einer Wahlentscheidung sei es sinnlos, solche lang gesammelten Erkenntnisse vorzulegen, denn mitreden will er schon und den Wählern „eine Art Beichtspiegel in die Hand geben“, den sie dann ihren Kandidaten vorhalten können. Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer merkte in seiner Einführung an, dass bislang lediglich ein Ruckeln spürbar geworden, der große Ruck indes ausgeblieben sei. Das Rezept, ihn doch noch zu bekommen, gab Roman Herzog selbst: „Man muss hart daran arbeiten und etwas Geduld haben!“ Ob dieser Satz logisch sei, darüber könne man lange philosophieren, gab der Autor in der anschließenden Fragestunde zu.

Ausgiebig ging er auf zwei Aspekte ein, die ihm in seinem Buch besonders wichtig sind. An erster Stelle nannte er die Abkehr von der immer noch grassierenden staatlichen Geldverschwendung: „Im Haushalt ist noch ganz viel Luft.“ Ein großer Kassensturz müsse her, um endlich mal zu erkennen, wo unsinniges Geld ausgegeben wird, zum Beispiel für die Steckenpferde früherer Führungspolitiker. Als fiktives, aber von der Realität nicht allzu weit entferntes Beispiel nannte er die Millionenförderung einer Akademie für die Erforschung des deutschen Schweißfußes. Nur über 20 Prozent des Haushalts werde ständig geredet, es sei eben auch wichtig, die anderen 80 Prozent zu kennen.

Sein zweites Herzensthema ist die Bildungspolitik. Angesichts der Tatsache, dass sich das Wissen der Menschheit seit 1945 in etwa verdreißigfacht habe, sinke der Anteil, den unser Bildungssystem davon vermittelt, von Jahr zu Jahr.

Während frühere Generationen eher mit einem Mangel an Informationen konfrontiert gewesen seien, gelte es im Internet-Zeitalter, den Umgang mit einer Überfülle davon zu lehren, sagt der Altbundespräsident. Insgesamt wird mehr Zeit gebraucht. Frühere Einschulung, Umstrukturierung der Kindergärten und Ganztagsschulen wären insofern wünschenswert und könnten auch die Chancen von Kindern aus bildungsfernen Familien erhöhen.

Deutsche Verlags-Anstalt, 152 Seiten, 14,90 Euro

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