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Entscheidung für die Flüchtlinge. Pfarrerin Dagmar Apel vor dem Jubiläumsgottesdienst in der Heilig-Kreuz-Kirche.

© Georg Moritz

Jubiläumsgottesdienst: 125 Jahre Heilig-Kreuz-Kirche

Zu ihrem Jubiläum ist die Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche in den Schlagzeilen. Sie hat Flüchtlinge aufgenommen. Das Thema prägte auch den Jubiläumsgottesdienst mit Bischof Dröge.

Es war kurz vor elf Uhr, es herrschte mit Sonne und blauem Himmel sogenanntes Kaiserwetter, da erklangen die Glocken der neuen Kirche Heilig Kreuz zum ersten Mal, und kurz darauf bogen die geliebten Majestäten um die Ecke, und das Volk, das tausendfach die Straßen bevölkerte, brach in Hochrufe aus.

Am 27. Oktober 1888 war das, vor genau 125 Jahren, und die „Neue Preußische Zeitung“ berichtete entsprechend. Was sie nicht mehr berichtete, war, dass die neue Kirche alsbald einen Spitznamen hatte. Berlinisch respektlos, wie hervorgehoben wird: „Pickelhaube“ nannte das Volk den riesigen Bau mit einer hohen Kuppel und darauf dieser langen Spitze, fast wie ein Helm der preußischen Soldaterie sah sie obenrum aus – und die Kritik blieb ja nicht beim Äußeren. Eine Kirche der Reichen und der Mächtigen sei Heilig-Kreuz, keine der kleinen Leute, die sich dort ungern blicken ließen. „Der Gegensatz der sozialen Schichten gehört also auch zum Erbe dieser Kirche“, sagte im Jubiläumsgottesdienst gestern Landesbischof Markus Dröge. Und mutig sei, wie die Kirche mit diesem Erbe umgegangen sei. Sie hat es ins Gegenteil verkehrt. 125 Jahre, zwei Weltkriege und eine Komplettzerstörung später steht am Blücherplatz in Kreuzberg zwar längst wieder ein mächtiger Bau, Kuppel nebst Spitze ist auch vorhanden, aber vom einem Geist des Ausgrenzens oder auch nur des Ausgrenzungzulassens ist nichts spürbar. Offenheit ist Prinzip, Nicht-Übliches die Methode.

Bevor um 14 Uhr der Jubiläumsgottesdienst begann, hatte die Kirche Interessierte an Thementische geladen, an denen bei Brezel, Saft und Mitgebrachtem über Gentrifizierung oder Spiritualität oder Architektur oder Arm und Reich diskutiert wurde. Acht Thementische waren es anfangs, dann wurden neun daraus. Flüchtlinge hieß das Thema am neunten Tisch – aus aktuellem Anlass: Die Heilig-Kreuz-Kirche hat gerade die Hungerstreikenden vom Brandenburger Tor aufgenommen. Eine Stunde hat die Kirchenleitung um Dagmar Apel gebraucht, um das zu entscheiden. „Das ist wirklich wunderbar“, sagte Dröge dazu in seiner Predigt, die sich auch mit der aktuellen Situation von Flüchtlingen – seien es die aus der Heilig-Kreuz-Kirche oder die von Lampedusa – befasste. Er kreiste die Frage nach einem angemessenen Umgang ein. Fragte danach, wo der Mensch Gott begegnen könne, ob er dazu Opfer bringen solle, ob es am besten große Opfer sein sollten. Doch die Antwort – es ist die Botschaft des Propheten Micha – laute: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist.“

„Wenn wir menschlich miteinander umgehen und unsere Würde gegenseitig achten, dann nähern wir uns Gott. Wir brauchen nichts mitzubringen oder vorzuweisen als nur das: nämlich Mensch zu sein“, formulierte es Dröge. Mehr Menschlichkeit wird oft gefordert, wenn es um Flüchtlinge geht, deren Menschsein schnell untergeht im Geflecht von internationalen oder auch nur bundesrechtlichen Gesetzmäßigkeiten und Interessenskonflikten. Dröge dankte der Gemeinde mehrfach und ausdrücklich für die schnelle Reaktion, als die Frage aufkam, wer den Flüchtlingen vom Brandenburger Tor ein Dach über dem Kopf gewähren könne. Ein paar Tage bleiben die 25 Menschen nun in einem Gemeinderaum, das sei „eine Tat der Barmherzigkeit, die zunächst einmal das Schlimmste abwehrt und Zeit für Gespräche und Klärungen eröffnet“.

Vor dem Gottesdienst waren vier der Flüchtlinge unter den 200 Besuchern gewesen. Sie hatten sich kurz vorgestellt und gedankt für die nette Aufnahme in der Kirche. Vier Menschen, drei Männer, eine Frau, drei aus Äthiopien, einer aus dem Kongo, nach Berlin gekommen aus Bayern, wo sie ihr Leben im asyljuristischen Wartestand nicht mehr ausgehalten haben. Da standen sie, umgeben von lauter wohlgesonnenen Menschen, in einer Kirche mitten in der Hauptstadt der viertstärksten Industrienation der Welt, und bedankten sich dafür, dass man ihnen vorübergehend einen Raum gibt.

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