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Jugendkriminalität: Szenen der Gewalt in der U-Bahn

Ende 2008 haben vier Jugendliche mehrere Fahrgäste angegriffen – jetzt beginnt ihr Prozess. Die Jugendkriminalität in Berlin sinkt zwar insgesamt, doch einzelne Täter werden immer brutaler.

In München ist am Sonnabend ein 50-Jähriger bei einer Attacke zweier Jugendlicher an einem S-Bahnhof totgeprügelt worden. In Berlin kam es Ende 2008 zu einem ähnlich brutalen Angriff auf einem U-Bahnhof in Spandau: Das Opfer, ein 34-Jähriger, überlebte zwar, wurde aber schwer verletzt und erlitt erhebliche Folgeschäden. Am Dienstag stehen die vier mutmaßlichen Täter vor Gericht. Darjusch M. (18), Artur T. (19), Daniel Sch. (17) und Anthony K. (17) müssen sich laut Anklage unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Die Tatverdächtigen hatten sich nach der Veröffentlichung der Videoaufzeichnungen im März dieses Jahres gestellt. Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sprach sich gestern trotz der „schrecklichen Vorfälle“ gegen eine Verschärfung des Jugendstrafrechts aus.

Begonnen hatte die Szenerie maßloser Gewalt in Berlin am Morgen des 31. Dezember 2008. Gegen 1 Uhr hätten die Angeklagten am U-Bahnhof Rathaus Spandau laut Staatsanwaltschaft bereits „beschlossen, grundlos Leute anzugreifen“. So sollen sie schon am U-Bahnhof Spandau einen wartenden Mann geschlagen und anschließend im U-Bahnwaggon mit Ohrfeigen traktiert haben. Gegen 1.30 Uhr kam es dann zu der Attacke auf den 34-jährigen Familienvater auf dem U-Bahnhof Haselhorst. Die Jugendlichen stiegen aus der U 7 und sahen den Mann auf dem menschenleeren Bahnhof. Eine Videokamera zeichnete auf, was folgte: Die Jugendlichen näherten sich dem Mann. Völlig unvermittelt schlug einer auf ihn ein. Der Mann erhob sich langsam, wehrte sich nicht. Er verließ schwer verletzt den U-Bahnhof. Wie ein Ermittler sagte, seien die Tatverdächtigen ihm hinterhergeeilt. Danach sollen sie ihn die Treppe hinabgestoßen, zu viert auf seinen Kopf und Körper eingetreten und ihm mit einer leeren Wodkaflasche auf den Kopf geschlagen haben. So steht es in der Anklage. Die Folgen: Hirnblutungen, ein gebrochener Arm und ein zertrümmerter Schädelknochen. Zurückgeblieben seien Sprachstörungen. Zudem musste das Opfer in die Reha-Kur, sei lange Zeit arbeitsunfähig gewesen und erlitt im Juli einen epileptischen Anfall, der laut Anklage ebenfalls auf die Misshandlungen zurückzuführen sei.

Nach der tödlichen Prügelattacke in München forderte die bayrische Justizministerin Beate Merk (CSU) eine Verschärfung des Jugendstrafrechts: 18- bis 21-Jährige sollen grundsätzlich wie Erwachsene bestraft werden – derzeit können sie auch nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt werden. Ihre Berliner Kollegin von der Aue hingegen hält derartige Forderungen „wieder einmal für eine hilflose Reaktion“. Wichtiger sei es, das bestehende Jugendstrafrecht konsequent anzuwenden. „In schweren Fällen verhängen die Richter auch harte Strafen“, sagte ihr Sprecher Bernhard Schodrowski.

Darüber, dass die Konzepte gegen Jugendgewalt in Berlin bereits Wirkung zeigen, sind sich die Experten aus Politik, Justiz und Polizei weitgehend einig. So ist die Jugendkriminalität auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Gesamtberliner Statistik 1991. Obgleich die Polizei immer wieder darauf hinweist, dass jeder der 31 861 Tatverdächtigen unter 21 Jahren „einer zu viel ist“. Das Netzwerk zwischen Polizei und Justiz führe dazu, dass immer mehr Täter schneller verurteilt werden und im Gefängnis sitzen“, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses, Peter Trapp (CDU).

Angefangen hatte diese Entwicklung mit dem Aufbau des Intensivtäter- und Schwellentäterkonzepts in den vergangenen Jahren: Hier geht es um „täterorientierte Ermittlungsarbeit“: Immer derselbe Sachbearbeiter kümmert sich intensiv um einen mehrfach aufgefallenen Gewalttäter oder einen Jugendlichen, der auf dem Weg dahin ist, ein Serientäter zu werden. Allerdings warnte Jugendrichterin Kirsten Heisig schon vor einem halben Jahr, dass es ihrer Erfahrung nach trotz des erfreulichen Rückgangs der Jugendkriminalität eine „extreme Brutalisierung“ bei einzelnen jugendlichen Tätern oder Gruppen gebe.

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