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„National, revolutionär, sozialistisch“ - so versteht sich die Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ selbst.

© imago images/Christian Spicker

Update

„Junge Kampfgemeinschaft“ griff Berliner Linke an: Razzia bei Nazi-Schlägertruppe des „Dritten Wegs“

Die Berliner Sicherheitsbehörden gingen am Donnerstag mit einer Razzia gegen mehrere Neonazis vor. Grund sind Überfälle auf linke Personen – und eine verletzte Polizistin.

Die Berliner Polizei schreitet nach mehreren brutalen Angriffen auf Beamte und linke Personen gegen Mitglieder der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ und deren Nachwuchsschlägertruppe ein. Am Donnerstag wurden die Wohnungen von neun Neonazis in Berlin, Brandenburg und Sachsen durchsucht. Der Jüngste ist 17 Jahre alt, der Älteste ist der 21-jährige Erik S., eine Führungsfigur des Parteinachwuchses „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ).

Am Morgen rückten 130 Beamte an zehn Orten an. Vier der Tatverdächtigen wohnen in Berlin, fünf in Brandenburg, etwa in Potsdam, Wustermark und Neutrebbin, und einer in der Oberlausitz in Sachsen. Der Staatsschutz beim Landeskriminalamt ermittelt gegen sie wegen gemeinschaftlichen Raubes, schweren Landfriedensbruchs und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte.

Die Neonazis sollen am 6. Juli am S-Bahnhof Ostkreuz an einem Angriff auf mehrere Personen dabei gewesen sein, die sich dort auf dem Weg zu einer Demonstration gegen Rechts getroffen haben. Laut Polizei hatten bis zu 15 Vermummte die Gruppe mit Schlagringen und Schlagstöcken angegriffen. Als zwei Bundespolizisten eingriffen, wurden sie ebenfalls attackiert. Ein Neonazi schlug einer Bundespolizistin mit der Faust ins Gesicht. Mehrere Personen und die Polizistin erlitten teils erhebliche Verletzungen.

Bei der Razzia am Donnerstag stellten die Ermittler Kleidungsstücke sicher, die die Neonazis bei dem Angriff getragen haben sollen. Daneben beschlagnahmten die Beamten Handys, Speichermedien, ein Auto, aber auch Schreckschusswaffen, Schlagwerkzeuge, Quarzhandschuhe, Elektroschocker und Propagandamaterial.

Den Neonazis wird ein weiterer Überfall vorgeworfen. Im Januar sollen sie in Prenzlauer Berg einen 20-jährigen Mann zunächst aus politischer Motivation angegriffen und bestohlen haben. Er soll von sechs bis sieben Personen attackiert worden sein. Der Grund: Er hatte einen antifaschistischen Aufnäher auf seinem Rucksack.

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Die Sicherheitsbehörden beobachten die Entwicklung wegen der wachsenden Gewaltbereitschaft mit Sorge. Zwar sind „Der Dritte Weg“ und die NRJ relativ klein, von den 1450 Rechtsextremisten in Berlin wurden im vergangenen Jahr 80 der Kleinstpartei zugerechnet. Doch sie und besonders der Nachwuchs bekommen Zulauf.

Auch stecken Anhänger der Partei mutmaßlich hinter Einschüchterungsversuchen und Angriffen auf Berliner Jugendclubs. Vermehrt wurden Anwerbeversuche an Schulen beobachtet. Und Parteinachwuchs tritt immer selbstbewusster auf. Am vergangenen Wochenende löste die Polizei ein Treffen im Stadtpark Lichtenberg auf. Bis zu 30 Neonazis trainierten dort in Parteiuniform Kampfsport. Die Polizei stellte neben Waffen, Quarzhandschuhen und Pfefferspray auch Aufkleber mit verfassungsfeindlichen Symbolen sicher. 

Michael Fischer, Chef des Verfassungsschutzes, nennt den Auftrieb für die Neonazi-Partei und ihre Jugendgruppe sehr beunruhigend. „Junge Leute in erklecklicher Zahl werden an rechtsextremistische Ideologie übelster Sorte herangeführt mit Sport und Kampftraining“, sagte Fischer. Für Berlin habe das eine neue Qualität, eine „solche Zugkraft“ habe keine rechtsextreme Gruppe in den vergangenen Jahren gehabt. Laut Verfassungsschutz sollen Mitglieder 2023 mehrfach an verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern beteiligt gewesen sein.

Die Behörden befürchten zudem eine Eskalation der Gewalt. Im April hatten Linksextremisten Leander S., ein Parteikader beim „Dritten Weg“, in Prenzlauer Berg in dessen Wohnhaus aufgelauert. Doch der Mann ist trainiert, wehrte sich mit einem Messer und verletzte die Angreifer teils schwer. Anfang des Jahres soll ein weiterer bekannter Neonazi und Parteikader vor seiner Wohnung in Pankow von Linksextremisten attackiert worden sein. 

Der „Dritte Weg“ versteht sich selbst innerhalb der rechtsextremen Szene als neonazistische Elite. Die NRJ lehnt sich ideologisch an die Hitlerjugend an und sieht sich als „junge Kampfgemeinschaft“: Es geht um Gemeinschaft, Kampf- und Kraftsport, Fleiß und Disziplin. Im Handbuch der NRJ, eine „Kriegserklärung an das herrschende System“, heißt es über die Mitglieder der NRJ, sie würden „lieber mit dem Feind um die Straße als miteinander um Parlamentsposten kämpfen“. Und sie „hassen den Liberalismus wie die Pest“.

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